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Stuttgart – Es dürfte eine Groß-Demo werden, wie sie Stuttgart seit Jahren nicht mehr erlebt hat: Für morgen hat ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Verbänden und Organisationen in der Innenstadt zum Protest gegen die EU-Freihandelsabkommen TTIP und CETA aufgerufen. Erwartet werden 30 000 Demo-Teilnehmer.

Von Jan-Philipp Schütze
Die Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt ist eine von sieben im gesamten Bundesgebiet, bei denen alles in allem 250 000 Menschen auf die Straße gehen sollen. Auftakt zur Demo ist um 12 Uhr vor dem Hauptbahnhof, von dort geht es einmal um den City-Ring und zurück zum Arnulf-Klett-Platz, wo die Abschlusskundgebung stattfindet. Das Ende der Demo ist für spätestens 17 Uhr vorgesehen. Bis dahin ist in der Innenstadt mit zahlreichen Straßensperrungen und Änderungen in der Verkehrsführung zu rechnen (siehe Bild und Kasten rechts). Die Polizei wird die Kundgebung mit einem größeren Aufgebot begleiten. Die Stadt rät, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Wegen der Demo werden zudem sämtliche Fahrten der Stuttgart Citytour am Samstag ausfallen.
Zum Protest aufgerufen hat ein breites Bündnis aus Gegnern der EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, darunter Umweltschutzverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände sowie die katholischen und evangelischen Kirchen. Vergangene Woche hat sich auch die Landespartei der Grünen dem Unterstützerkreis angeschlossen. Die Bündnispartner fordern den sofortigen Stopp der Verhandlungen zu TTIP und die Aussetzung der Ratifizierung von CETA.
Ihre Motivationen sind dabei sehr unterschiedlich. So befürchtet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dass durch TTIP und CETA die Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie Abfall-, Energie- und Wasserversorgung, ins Blickfeld rein ökonomisch denkender und handelnder Konzerne geraten. „Kommunen haben in den TTIP- und CETA-Vertragsverhandlungen als letztes Glied in der juristischen Kette quasi keine Lobby“, sagt BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer. „Das hohe Gut der Kommunalen Selbstverwaltung in einer stark dezentralen Region Stuttgart droht hier im Streitfall an den Vertragspartner Deutschland verloren zu gehen.“ TTIP und CETA würden auch in der Region Stuttgart die Spielräume für alternatives Wirtschaften, Schutz der Artenvielfalt, Strategien gegen den Klimawandel sowie gerechten und ökologischen Handel einschränken, so Pfeifer. Gentechnikfreie Landkreise, Trinkwasser aus dem Hahn sowie atom- bzw. fossilfreie Stromerzeugung seien nur wenige Beispiele, die in den Vertragswerken von TTIP und CETA entgegen kommunaler Interessen in Frage gestellt oder aufgeweicht werden könnten.
Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin des Vereins Mehr Demokratie, warnt, bei den Freihandelsabkommen verkomme die Demokratie zum bloßen Beiwerk. „Die geplante regulatorische Kooperation öffnet starken Lobbyinteressen Tür und Tor und verhindert neue Regulierungen zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern“, sagt Händel. Martin Gross, stellvertretender Verdi-Landesbezirksleiter, sorgt sich derweil um die „Einführung einer Paralleljustiz mit Sonderrechten für Unternehmen und Konzerne“.
Zu den Befürwortern der Freihandelsabkommen gehört unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Deren Vollversammlung hat sich dafür ausgesprochen, dass die TTIP-Verhandlungen „in zügigem Tempo mit klaren Zeit- und Zielvorgaben geführt und das Abkommen zeitnah abgeschlossen und umgesetzt wird“. TTIP und CETA böten entscheidende Impulse für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA beziehungsweise Kanada, so die IHK Region Stuttgart. Von den damit verbundenen Wachstumschancen profitiere praktisch fast jedes Unternehmen und jeder Beschäftigte in der Region Stuttgart.

Die Sperrungen

Besucher und Bewohner der Innenstadt werden vom Amt für öffentliche Ordnung gebeten, am kommenden Samstag ihr Auto stehen zu lassen und die Stadt- und S-Bahnen zu nutzen. Zwischen Freitagabend und Samstagabend gibt es aufgrund der Großdemonstration Straßensperrungen und Umleitungen und damit auch erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen. Unter anderem werden zeitweise alle Bundesstraßen in der Innenstadt gesperrt. Stark betroffen davon sind auch die Innenstadtbuslinien der SSB. Bereits ab Freitag, 21 Uhr ist die Schillerstraße in Fahrtrichtung Gebhard-Müller-Platz gesperrt. Ab Samstagvormittag ist sie dann voll gesperrt. Die Auftaktkundgebung ist vorgesehen für 12 Uhr am Arnulf-Klett-Platz. Ab 13 Uhr findet ein Aufzug über den City-Ring statt. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl und der erhöhten Sicherheitslage wird die gesamte Aufzugsstrecke des City Rings mit den angrenzenden Straßen gesperrt. Deshalb wird ab 12.30 Uhr die Theodor-Heuss-Straße ab dem Rotebühlplatz sowie die Friedrichstraße (B27) ab dem Planietunnel in Fahrtrichtung Arnulf Klett Platz gesperrt. Ab 13 Uhr folgen die Sperrungen der B 14 in beiden Richtungen zwischen dem Österreichischen Platz und der Kreuzung Heilmannstraße sowie die Sperrung der B27 stadteinwärts ab dem Ernst-Sieglin-Platz. Neben den Bundesstraßen erfolgt dann auch noch die Sperrung des Wagenburg- und des Planietunnels.
Die Stadt weist darauf hin, dass die wenigen möglichen Umfahrungsstrecken im Innenstadtbereich den ausgeleiteten Verkehr nicht aufnehmen können. Es wird mit massiven Verkehrsbehinderungen in der gesamten Innenstadt gerechnet. Ab 15 Uhr soll die Abschlusskundgebung am Arnulf-Klett-Platz stattfinden. Das Ende der Versammlung ist für 17 Uhr vorgesehen. Die Straßensperrung werden ab 15.30 Uhr sukzessive aufgehoben. Mit starken Verkehrsbehinderungen ist bis mindestens 18 Uhr zu rechnen.