Das amtliche Stuttgarter Stadtwappen (rechts) wie es jeder kennt. An der Eingangstür des Stuttgarter Rathauses ist die Urform des Wappens von 1312 zu sehen – mit zwei Rössle (Mitte). Das springende Pferd hingegen (Hintergrundsbild) findet man im Höhenpark Killesberg. Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Dass Stuttgart eine besondere Beziehung zum Rössle pflegt, ist im Stadtbild unschwer zu erkennen. Ob Skulpturen, Reliefs oder Bilder - das Pferd, mal stehend, mal aufbäumend, ist an vielen Orten im Stadtbild präsent. Für Außenstehende mag die Liebe der Stuttgarter zum Unpaarhufer auf der Hand liegen, schließlich gilt die Stadt als Wiege des Automobils und ist Standort zweier Weltfirmen. Eine davon hat das Pferd gar zum Markenzeichen gemacht: Seit 1954 ziert ein leicht abgewandeltes springendes Ross die Fronthaube jedes Porsche - als Sinnbild für Dynamik und Geschwindigkeit, aber auch als Bekenntnis zum Fertigungsstandort Zuffenhausen. Ob sich das Stuttgarter Wappentier tatsächlich auch auf einem italienischen Sportwagen aufbäumt, ist unklar. Der Wahrheitsgehalt der Geschichte ist eher gering, dennoch wird sie in der Landeshauptstadt gern erzählt. Wie es heißt, soll Baron Francesco Baracca im Ersten Weltkrieg einen schwarzen Hengst auf weißem Grund als persönliches Glückssymbol auf sein Flugzeug gepinselt haben - zu dem Emblem soll er von einem schwäbischen Luftwaffenoffizier inspiriert worden sein, dessen Maschine mit dem aufgemalten Stuttgarter Stadtwappen 1916 abgeschossen wurde. Angeblich diente Baraccas Pferd dann Enzo Ferrari als Vorlage für sein Firmenlogo - seit 1929 ist das „Cavallino Rampante“ offizielles Markenzeichen der Autoschmiede.

Ob die Anekdote stimmt oder nicht, ist eigentlich egal. Denn es sind beileibe nicht die Pferdestärken unter der Motorhaube, die für die Stuttgarter identitätsstiftend sind. Das Pferd an sich gilt als Namensgeber der Stadt: Die Legende besagt, dass Herzog Liutolf von Schwaben im Jahr 950 im schönen Nesenbachtal ein Gestüt - den sogenannten Stuotgarten - anlegen ließ. Inwiefern dies allerdings wirklich der Fall war, ist bis heute umstritten. Fakt ist jedoch, dass eine Urkunde aus dem Jahr 1312, auf der der Name Stuttgarts erstmals erwähnt wurde, ein Siegel trägt, auf dem zwei verschieden große, schreitende Pferde in einem Dreieckschild zu sehen sind. Es war die Urform des heutigen Stadtsiegels. Gut 100 Jahre später sah es dann etwas anders aus: Ein spätgotisches Rundschild „beherbergte“ nun nur noch ein, diesmal galoppierendes Pferd. Die Darstellung des Rössle änderte sich mehrfach. Es wurde mal schreitend, mal trabend, mal springend, mal steigend, mal mit Schweif nach unten, mal mit Schweif nach oben dargestellt. Ursprünglich war die Grundfarbe des Wappens Silber, 1699 tauchte erstmals ein goldener Hintergrund auf. Diese Farbe setzte sich allmählich in Anlehnung an die württembergischen Hausfarben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. Erst seit 1938 gibt es das „Stuttgarter Rössle“ in seiner heutigen Form. Als dessen geistiger Vater gilt Emil Glücker, der zu jener Zeit als freier künstlerischer und technischer Berater beim Hochbauamt arbeitete. In dieser Funktion soll er das Stadtwappen neu gestaltet haben. Ihm wird nachgesagt, dass er sein Werk stolz kommentierte: Statt eines „Gäule“ hätten die Stuttgarter nun ein richtiges Pferd.

Gleichwohl scheinen die Bewohner des modernen Stutengartens mittlerweile blind geworden zu sein für ihr Wappentier. Vor lauter Pferden im Stadtbild sehen sie das Rössle kaum mehr. Es bedurfte vielleicht eines Blicks von außen, um es wieder ins Bewusstsein zu rücken. Der Belgrader Schriftsteller Simon Maric, der vor zwei Jahren auf Einladung des Serbischen Akademikernetzwerkes Nikola Tesla in Stuttgart weilte, hat bei seinen Streifzügen durch die Stadt mehr als 80 Hengste, Stuten und Fohlen fotografiert, die sich auf Plätzen, an Brunnen und Fassaden tummeln. Seine Entdeckungen dienten als Grundlage für ein gemeinsames Projekt des Stadtmuseums, und des Akademikernetzwerkes, das bezeichnenderweise „Where are the horses?“ heißt. Der Titel geht zurück auf eine längst widerlegte Legende, die man sich im Schwabenland noch immer gern erzählt: Die britische Königin Elisabeth II. soll sich 1965 bei ihrem Besuch im Ländle irritiert erkundigt haben, wo denn nun die Pferde seien. Sie hatte eigentlich das Landesgestüt in Marbach bei Gomadingen sehen wollen und nicht das Literaturarchiv in Marbach am Neckar.

24 Rössle-Motive - von der Postplatzstute und dem Trojanischen Pferd, über den Rossbändiger und das Himmelspferd bis hin zum Senefelder Schimmel und dem Schachpferd - wurden für ein Spiel der besonderen Art ausgesucht. Mit den um Geschichten und Fakten ergänzten Karten können sich Groß und Klein nun auf Pferdejagd durch Stuttgart begeben. Das Spiel ist an der Infothek des Stuttgarter Rathauses für 7,50 Euro erhältlich.