Die Bänke in der unteren Königstraße sollen zum Teil abmontiert werden – diese Pläne stoßen auf Kritik. Foto: Steegmüller - Steegmüller

Stuttgart – Die untere Königstraße ist zu einem Brennpunkt geworden: Die Bänke sind von Obdachlosen dauerbelegt, die sich zum Teil aggressiv gegenüber Passanten verhalten. Als Konsequenz will die Stadt die Sitzrondelle abbauen lassen. Dagegen regt sich Widerstand.

Von Elke Hauptmann

Per Mail hat das Garten-, Friedhofs- und Forstamt Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle vor zwei Wochen über den geplanten Abbau der Bänke informiert. Auf Anordnung des Referates für Sicherheit und Ordnung werde man „in den nächsten Tagen“ die rund um die Bäume gruppierten Sitze entfernen, hieß es darin. Der Grund: Der Bereich am Abgang zur Klett-Passage hat sich zu einem Brennpunkt der Stadt entwickelt, wo sich viele Trinker, Obdachlose und Bettler aus Osteuropa den ganzen Tag aufhalten. Die Situation sei mittlerweile „wirklich sehr angespannt“, berichtet die Bezirksvorsteherin von zahlreichen Beschwerden. Nein, beeilt sich Kienzle zu betonen, es ginge nicht um den Anblick. Der Bereich sei zu einem „echten Angstraum“ geworden. „Man fühlt sich dort sehr unwohl.“ Denn die Wohnungslosen würden herumschreien, die Passanten anpöbeln, mitunter auch mit Flaschen werfen.

Die Dauerbelegung der Bänke sei nicht mehr hinnehmbar. „Der öffentliche Raum ist am Ende. Irgendwann ist eine Toleranzgrenze überschritten.“ Dennoch haben sie und der Bezirksbeirat die geplante Demontage vorerst gestoppt. „Man kann die Bänke nicht einfach so abschrauben und einlagern. Das ist unangemessen.“ Denn eine solche Maßnahme ginge zulasten der Allgemeinheit: „Die Bänke sind für alle da.“ Kienzle strebt einen Kompromiss an, der Einzelhändlern, Passanten und sozialen Randgruppen gleichermaßen gerecht werden soll: Jeder zweite Sitz sollte herausgenommen werden – so könne man zumindest das Herumliegen verhindern. Die entfernten 20 bis 25 Sitze sollten an anderen Stellen entlang der Königstraße montiert werden. Technisch sei das allerdings ein Problem, räumt Kienzle ein: Die vier Rondelle ließen sich nur komplett entfernen. Man bräuchte für die Alternativlösung also neue Metallringe und neue Sitze. „Ich bin gerade dabei, die Kosten dafür abzuklären.“ Der Gemeinderat müsse dann über die Investition entscheiden. Und zwar rasch, hofft die Bezirksvorsteherin auf Unterstützung. „Die Königstraße wurde zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 neu gestaltet. Nach zehn Jahren kann man auch mal wieder Geld für Verbesserungen in die Hand nehmen.“ Die Demontage der Sitzgelegenheiten aber stößt auf Widerstände. „Soziale Missstände in unserer Stadt werden nicht dadurch behoben, indem Menschen, zum Beispiel Wohnsitzlose, aus dem öffentlichen Bild verdrängt werden“, monieren die Stadträte der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus. Sie fordern in einem Antrag an die Verwaltung, dass die Bänke erhalten bleiben. Und dass auch bereits abmontierte Sitzbänke wieder angebracht werden.

Beim Caritasverband für Stuttgart findet man ähnlich deutliche Worte. „Nicht hinnehmbar“ sei die Aktion, sagt Vorstand Uwe Hardt. Zur Stadtgesellschaft gehörten alle Menschen, die in der Stadt leben. Steigende Armutsquoten und eine besorgniserregende Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt würden auch die reiche Stadt Stuttgart immer mehr in eine soziale Schieflage bringen. „Eine Stadt für alle darf sich aber nicht einer unternehmerisch orientierten Stadtentwicklungspolitik unterwerfen, die zunehmend sozial schwache oder auffällige Menschen aus dem öffentlichen Raum ausschließt.“ Wer Bänke abreißt, löse keine sozialen Probleme, er verlagere sie nur. „Wer denkt, die Menschen verschwinden, der irrt“, meint Manfred Blocher, Bereichsleiter im Fachbereich Armut, Wohnungsnot und Schulden beim Caritasverband. Seine Prognose ist ernüchternd: „Der Zustand wird so lange anhalten, bis die gesetzlichen Rahmenbedingungen dahingehend verändert werden, dass Hilfsangebote für die betroffenen Menschen, die meist aus EU-Staaten kommen, geschaffen werden können.“