Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Die einen sahen in ihr einen Büchertempel, in dem Literatur und Architektur eine perfekte Symbiose eingehen; die anderen verschmähten sie als Bücherknast, der mit seiner strengen Gestaltung abweisend und steril wirke. Keine Frage: Als die neue Stadtbibliothek am 24. Oktober 2011 am Mailänder Platz offiziell eröffnet wurde, schieden sich an ihr die Geister. „Es ist ein Haus mit Charakter, an dem man sich reiben kann“ - mit diesen Worten hatte schon die Wettbewerbsjury ihre Entscheidung begründet, im Jahr 1999 den Entwurf des südkoreanischen Architekten Eun Young Yi zum Siegermodell zu küren. Mittlerweile kann die Stadtbibliothek aller anfänglichen Unkenrufe zum Trotz eine beachtliche Bilanz vorweisen.

„Wir haben wirklich eine Erfolgsgeschichte mit diesem Haus geschrieben“, sagt Bibliotheksdirektorin Christine Brunner. 1,2 Millionen Besucher kamen allein im ersten Jahr, mittlerweile sind es mehr als 1,4 Millionen jährlich. Und noch gebe es Luft nach oben, so Brunner. „Am Anfang dachte ich, die Neugierde lässt mit der Zeit nach, aber dem ist nicht so.“ Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 14 000 neue Ausleihausweise ausgestellt, das Angebot in der digitalen eBibliothek wächst kontinuierlich an, die Mitarbeiter sind längst allesamt routiniert im Umgang mit dem großen Andrang von bis zu 7000 Besuchern am Tag. Auch die Anerkennung der Fachwelt ließ nicht lange auch sich warten. Das New Yorker TIME Magazine adelte die Stuttgarter Stadtbibliothek zu einer der 20 schönsten Bibliotheken der Welt, 2013 wurde sie die „Bibliothek des Jahres“ und 2014 erhielt sie den Hugo-Häring-Preis des Architektenbundes.

Ins Europaviertel integriert

Drei Jahre Bauzeit und knapp 80 Millionen Euro waren nötig, um auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs einen 40 Meter hohen Quader zu errichten, der in seinem Inneren 500 000 Bücher und andere Medien beheimatet. Stand die Bibliothek einst noch einsam und exponiert im damals ansonsten leeren Europaviertel, so ist sie inzwischen gut in ihr urbanes Umfeld integriert. In dem Gebäude kommen Menschen jeden Alters und jeder Herkunft zusammen - zum Leihen, Lesen oder Lernen, zum Schauen, Staunen und Flanieren oder einfach nur, um ein wenig die Seele baumeln zu lassen. „Ich denke, dass wir zur Belebung des Europaviertels beigetragen haben und ein wichtiger Bestandteil der städtischen Kulturlandschaft geworden sind“, sagt Brunner.

Am Anfang sorgte die Stadtbibliothek freilich vor allem mit einer Fülle an Pleiten, Pech und Pannen für Schlagzeilen. Kaum eröffnet, offenbarten sich auch schon die ersten Mängel im täglichen Betrieb. So waren die zwei kleinen Aufzüge dem gewaltigen Besucherandrang kaum gewachsen, der nachträgliche Einbau eines zuvor eingesparten dritten Lifts schlug mit 400 000 Euro zu Buche und dauerte mehr als sechs Monate. Zu den weiteren „Kinderkrankheiten“ zählten unter anderem eine schlecht justierbare Klimaanlage, schalltechnische Probleme im Max-Bense-Saal und Taubenkot in den Mitarbeiterbüros, da die Tiere durch Fassadenöffnungen ins Gebäude gelangten.

Für anfängliche Probleme sorgte zudem das in den Boden eingelassene Wasserspiel im sogenannten Herzraum im Erdgeschoss. Bereits am Eröffnungswochenende holten sich viele Besucher ungewollt nasse Socken und Füße, das Kunstwerk musste trockengelegt werden. Nach einer Umgestaltung sprudelt das Wasserspiel leuchtend blau und ist deutlich besser zu erkennen. Dafür bröckelte später der Terrazzoboden im Herzraum, der daraufhin ausgebessert werden musste.

Tückische Türen

Auch die elektrischen Eingangstüren im Erdgeschoss offenbarten so ihre Tücken. Immer wieder versagte die Automatik, bei starkem Wind ließen sich die Schwingtüren nur schwer öffnen oder schlugen den Besuchern entgegen. Im Frühjahr 2016 wurde schließlich nach langem Hin und Her die Tür an der Westseite der Bibliothek durch eine Schiebetür ausgetauscht. „Es hat sich gezeigt, dass das die richtige Entscheidung war“, sagt Brunner. Das Geld für den Austausch der weiteren drei Eingangstüren wolle man im nächsten Doppelhaushalt der Stadt beantragen.

Im nächsten Jahr soll dann endlich auch die Mediensortieranlage erweitert werden, die schon längst an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen ist. Geplante Kosten: 230 000 Euro. „Man muss bedenken, dass ein Haus mit solch einer Komplexität einfach eine gewisse Zeit braucht, um zu funktionieren“, sagt Brunner. „Diese Zeit hatten wir nicht, wir sind von Null auf Hundert gestartet.“ Die vielen baulichen Veränderungen im laufenden Betrieb durchzuführen, sei eine große Herausforderung gewesen. Dass diese Herausforderung gemeistert wurde, darauf dürfte bei der Jubiläumsfeier an diesem Samstag sicherlich mit dem ein oder anderen Glas Sekt angestoßen werden.

Feierlichkeiten

Anlässlich des fünfjährigen Bestehens findet an diesem Samstag von 13 bis 18 Uhr ein Familientag in der Stadtbibliothek rund um das Thema „Eckig“ statt. Am Montag, dem eigentlichen Jubiläumstag und dem Tag der Bibliotheken, gibt es um 17 Uhr ein feierliches Intermezzo mit der A-Cappella-Band Füenf, und die Performerin Christiane Maschajechi verteilt Glück in Keksen. Wer sich am Montag einen Bibliotheksausweis neu ausstellen oder verlängern lässt, erhält fünf Monate geschenkt. Der Ausweis gilt in der Stadtbibliothek am Mailänder Platz sowie in allen 17 Stadtteilbibliotheken.