Stuttgart (ae) - Sevilla hat sie, Paris und Bangkok auch. Die Rede ist von Sicherheitswänden, die Fahrgäste davon abhalten sollen, in die unmittelbare Nähe von Gleisen und einfahrenden Zügen zu gelangen. Wenn es nach der FDP-Fraktion im Verband Region Stuttgart geht, soll das System auch in Stuttgart eingeführt werden, um an Bahnsteigen Unfälle oder Selbsttötungen zu verhindern. Unterstützung hat der Vorstoß jedoch nicht gefunden.

In einem Forum im Internet verschafft sich ein verärgerter Zugführer aus Norddeutschland Luft. „Warum begebt ihr euch in akute Lebensgefahr und fühlt euch dann noch sicher bei eurem Vorhaben?“, beklagt er den Leichtsinn von Kindern und Jugendlichen, die sich immer öfter für ihre Selfies ins Gleisbett begeben. Mehrere Beinaheunfälle hätten er und seine Kollegen bereits erlebt. „Wir können auf der Schiene nicht ausweichen und wir haben wirklich lange Bremswege“, warnt der Verfasser.

Auch an Stuttgart geht der gefährliche Trend nicht vorbei. Eine Maßnahme, diesen zu stoppen, könnten Sicherheitswände sein, wie sie unlängst von der FDP-Regionalfraktion gefordert wurden. Die Unfallentwicklung an S-Bahn-Haltepunkten, aber auch die Zahl der Selbsttötungen gebe Anlass zur Sorge, heißt es in der Antragsbegründung der Liberalen. „Dazu kommen Nachrichten über sogenannte S-Bahn- und U-Bahn-Schubser beispielsweise in Berlin, Hamburg oder Hannover, die mutwillig oder aufgrund psychischer Störungen andere Menschen vor einfahrende S-Bahn-Züge gestoßen haben.“ Das Konzept, wie es in Städten wie Paris oder Bangkok angewendet wird, sieht vor, dass Gleisbett und Bahnsteig von einer durchsichtigen Sicherheitswand getrennt werden, in der sich automatische Türen befinden. Diese öffnen sich nur dann, wenn eine S-Bahn auf dem Gleis zum Stehen kommt. Um auch in Stuttgart ein solches System auf den Weg zu bringen, forderte die FDP, 200 000 Euro in den Haushalt des Verbands der Region Stuttgart (VRS) einzustellen. Die Mittel sollten für die Konzeption und versuchsweise Einführung einer entsprechenden Sicherheitseinrichtung verwendet werden.

Mit ihrer Forderung konnte sich die FDP bei den Haushaltsberatungen nicht durchsetzen. Zu viele Probleme und erwartete Nachteile stehen einer Realisierung entgegen. Dazu gehört die Befürchtung, dass sich durch Sicherheitstüren die bisherigen Ein- und Ausstiegszeiten verlängern. Damit würde man beim Thema Pünktlichkeit weiter an Boden verlieren, die Fahrgäste wären gezwungen, sich zwei Mal durch ein „Nadelöhr“ zu zwängen.

Auch die technischen Voraussetzungen sieht Jürgen Wurmthaler, Infrastrukturdirektor im VRS, nicht erfüllt. So halten die S-Bahnen bislang an unterschiedlichen Punkten, außerdem variiert die Zuglänge zu den unterschiedlichen Tageszeiten. Für die Fahrgäste könnte das im schlimmsten Fall bedeuten, dass sie den halben Bahnsteig ablaufen müssen, um zur gewünschten Tür zu kommen. Hinzu kommt nach Angaben eines Bahnsprechers, dass die Türabstände der S-Bahn-Baureihen 430 und 423 nicht identisch sind. Eine weitere Forderung der Regionalfraktion wird allerdings erfüllt: Es wird darüber berichtet, wie sich die Unfallzahlen und Suizide an den vom VVS genutzten Schienenstrecken in den vergangenen Jahren entwickelt haben.