Foto: Symbolbild DPA - Symbolbild Peter Steffen/Archiv

Stuttgart (wic) - Seit gestern muss sich ein „islamischer Geistheiler“, so hatte sich der Angeklagte selbst ernannt, vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Gegen den 56-Jährigen werden schwere Vorwürfe erhoben: Er soll in mehreren „Behandlungen“ zur „Dämonenaustreibung“ eine 17-Jährige mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt haben.

Sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses, sexuellen Missbrauch, Körperverletzung und Vergewaltigung wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. Mit dem Fall hatte sich das Stuttgarter Landgericht bereits vor gut einem Vierteljahr befasst, den Prozess aber ausgesetzt, weil nachermittelt werden musste. Der 56-jährige Angeklagte, ein Heiler und Exorzist aus Bosnien, soll im Februar 2015 Kontakt zu einer muslimischen Stuttgarter Familie hergestellt haben, um deren 17-jährige Tochter in mehreren Sitzungen von angeblichen Dämonen zu befreien. Man habe ihn extra aus Bosnien für diese Behandlung anreisen lassen. Dabei sei es zu den schweren sexuellen Übergriffen gekommen.

Den Vergewaltigungsvorwurf will der 56-Jährige im ersten Verfahren vor der 2. Großen Strafkammer aber nicht gelten lassen. Sein Verteidiger teilte am gestrigen Verhandlungstag zwar mit, dass der Mandant keine Angaben machen werde. Er gelte aber in seiner bosnischen Heimat als anerkannter Heiler und „Hodscha“ (Meister und Lehrer). Alle Handgriffe an der jungen Frau seien „absolut notwendig“ gewesen, um die Dämonen, von der die 17-Jährige tatsächlich befallen gewesen sei, zu entfernen. So hatte es der Beschuldigte bereits im ersten Prozess behauptet. Immerhin läge die Todesrate bei von Dämonen befallenen Menschen bei 60 Prozent, verteidigte sich der schmale, grauhaarige Bosnier vor Gericht. Und die 17-Jährige, die nach seiner Auffassung erwachsen sei, habe ihn deutlich um Austreibung dieser Dämonen gebeten.

Dazu habe er auch über ihr Geschlechtsteil in ihren Körper eindringen müssen. Nach seiner Darstellung habe der Dämon in der jungen Frau ihn sogar während des Akts ausgelacht, dann aber den Körper verlassen. Die 17-Jährige sei von ihm geheilt worden. Das sieht der Ankläger anders: Für ihn liegt der Tatbestand des mehrfachen sexuellen Übergriffs gegen eine 17-Jährige vor. Eine „Teufelsaustreibung“ sei nur der Vorwand für die Vergewaltigung gewesen. Für ihn hat der Angeklagte lediglich sexuelle Handlungen an der jungen Frau vorgenommen.

In dem Prozess, der auf mehrere Monate bis zum 20. September terminiert ist, soll auch gemäß dem Antrag der Verteidigung ein Islam-Wissenschaftler als Gutachter geladen werden. Und man behalte sich vor, weitere Gutachter-Anträge zu stellen, weil es sich nicht um Straftaten, sondern um eine religiöse Behandlung gehandelt habe. Am morgigen Freitag sollen erste Zeugen gehört werden.