Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Der 33 Jahre alte Mann, der am Sonntag nach einer Messerattacke auf einen Polizisten durch Schüsse verletzt wurde, schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Sein Motiv ist aber weiter unklar. Der Vorfall verdeutlicht einmal mehr, wie schnell Polizisten zum Opfer von Angriffen werden können.

Polizeisprecher Michael Schossig sagte gestern, der 33-Jährige sei nach einer Notoperation wieder ansprechbar, habe aber bei einer ersten Vernehmung durch die Kriminalpolizei keine Angaben gemacht. „Deshalb können wir zu einem möglichen Tatmotiv noch nichts sagen.“ Dem Mann sei ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes eröffnet worden, er werde vorerst im Krankenhaus von Justizbeamten bewacht. Sobald er transportfähig sei, werde er im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg in Untersuchungshaft genommen. Auch dem 25 Jahre alten Polizisten, dem der Angreifer Schnittwunden am Hals zugefügt hatte, gehe es besser, so Schossig. Er habe das Krankenhaus gestern wieder verlassen dürfen. Wie berichtet, hatte der 33-Jährige die Streifenpolizisten am Sonntag gegen 5 Uhr per Telefonanruf zum späteren Tatort in der Erwin-Hageloh-Straße im Cannstatter Wohngebiet Birkenäcker gelockt. Dort attackierte er die Beamten plötzlich mit einem so genannten Einhandmesser, diese schossen daraufhin mit ihren Dienstwaffen auf ihn.

Die Attacke vom Sonntag ist beileibe kein Einzelfall, immer wieder werden Polizisten in Stuttgart zum Ziel von Angriffen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik bewegt sich die Gewalt gegen Polizeibeamte seit Jahren auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2015 wurden demnach 1693 Polizisten zum Opfer einer Straftat. So auch Ende Februar 2015. Damals hatte ein 34-Jähriger am Untertürkheimer Karl-Benz-Platz mit einer täuschend echt aussehenden Softair-Waffe auf Polizisten geschossen. Die Beamten erwiderten das Feuer, der 34-Jährige wurde durch einen Bauchschuss schwer verletzt. Er hatte zuvor den Notruf gewählt und gedroht, den Nächsten zu erschießen, der am Karl-Benz-Platz vorbeikomme. Im November 2013 hatte ein 36-Jähriger im Stuttgarter Osten mit einer Schreckschusswaffe um sich geschossen und mehrere Polizisten bedroht. Er war daraufhin von einem Beamten erschossen worden. Wie sich später herausstellte, hatte es der Mann darauf angelegt, sich von der Polizei töten zu lassen. Ende Mai dieses Jahres war zudem in Filderstadt-Bernhausen ein 29-Jähriger mit einem Messer bewaffnet auf die Polizei losgegangen. Ein Polizist schoss zwei Mal mit seiner Dienstwaffe auf den Mann, der 29-Jährige verstarb trotz Reanimationsmaßnahmen. Schüsse fielen auch Anfang März vergangenen Jahres nahe des Cannstatter Bahnhofs. Nach dem Bundesligaspiel des VfB Stuttgart gegen Hertha BSC Berlin hatten rund 80 Krawallmacher zwei Polizisten der Hundeführerstaffel attackiert. Ein Beamter gab drei Warnschüsse in die Luft ab, die Angreifer flüchteten. Insgesamt wurden bei der Randale nach Spielende 16 Beamte und ein Polizeipferd verletzt.

Die Polizisten in Stuttgart, heißt es in der Kriminalstatistik, würden nicht nur bei der Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen oder bei besonderen Einsatzlagen angegriffen, sondern zunehmend bei ganz alltäglichen Einsätzen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) beklagt eine sinkende Hemmschwelle und eine zunehmende Verrohung innerhalb der Gesellschaft. Der grundsätzliche Respekt gegenüber dem Einschreiten und Handeln der Staatsdiener schwinde zusehends, so der stellvertretende DPolG-Landeschef Daniel Jungwirth.