Die neue Anlage wird zwischen den bestehenden Einrichtungen errichtet. 75 Millionen Euro soll das neue Gas-Heizkraftwerk kosten, spätestens 2019 soll es in Betrieb gehen. Visualisierung: EnBW Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Rund eineinhalb Jahre nach Vorstellung der ersten Pläne sind die Würfel gefallen: Die EnBW modernisiert für 75,3 Millionen Euro ihren Kraftwerksstandort in Gaisburg grundlegend. Nach dem Vorstand hat auch der zuständige Ausschuss des EnBW-Aufsichtsrats die notwendigen Mittel freigegeben. Nach voraussichtlich zweijähriger Bauzeit sollen die neuen Anlagen Ende 2018 beziehungsweise Anfang 2019 fertiggestellt sein.

Für EnBW-Vorstand Hans-Josef Zimmer hat der Beschluss eine besondere Bedeutung: „Mit dem Neubau investieren wir nicht nur langfristig in die moderne Fernwärmeversorgung für Stuttgart und das Neckartal. Durch die Umstellung von Kohle auf Gas leisten wir gleichzeitig einen erheblichen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz in der Landeshauptstadt.“ Darüber hinaus würden die freiwerdenden Flächen spannende städtebauliche Perspektiven eröffnen. Die neuen Anlagen entstehen auf einem jetzt weitgehend freien Teil des Standorts. Mit rund 5000 Quadratmetern nehmen sie deutlich weniger Platz in Anspruch als die bisherigen. Allein die dann nicht mehr benötigte Kohlehalde entlang der B 10 umfasst 75 000 Quadratmeter; hinzukommen die Flächen, auf denen die heutigen Anlagen stehen. Diese Gebäude könnten nach Inbetriebnahme des neuen Heizwerks zurückgebaut werden. „Dadurch entstehen städtebauliche Chancen, die eine ausführliche Diskussion in der Stadt verdienen und in die wir uns gerne einbringen“, so Zimmer.

Für die EnBW liege der Fokus nun aber zunächst auf der Realisierung des Projekts, das durch die jetzige Entscheidung noch immer im angekündigten Zeitplan liege. Sobald das Regierungspräsidium Stuttgart die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt hat, kann in den nächsten Wochen mit den Bauarbeiten begonnen werden. Sie bestehen aus vier Bausteinen: einem Gasheizwerk für die Fernwärme, einem Fernwärmespeicher, einer ebenfalls mit Gas befeuerten Anlage zur Strom- und Wärmeerzeugung und einer Fernwärmestation. In der Detailplanung haben sich gegenüber dem Zwischenstand vom Februar nur noch kleinere Änderungen bei der Platzierung einzelner Gebäudeteile ergeben.

Herzstück des Neubaus werde ein emissionsarmes und effizientes Gas-Heizwerk mit einer Wärmeleistung von bis zu 210 Megawatt sein. Im Gesamtsystem der Erzeugungsstandorte Altbach, Münster, Marienstraße und Gaisburg ist auch die neue Anlage wieder für Spitzenzeiten und als Reserve eingeplant. Sie soll damit einen wichtigen Beitrag zur Fernwärmeversorgung für Stuttgart und das Neckartal leisten. Eine neuartige Ergänzung des Fernwärmesystems bildet nach Angaben der EnBW der 39 Meter hohe Wärmespeicher. Darin könne man wie in einer Thermoskanne bis zu 300 Megawattstunden Wärmeenergie flexibel zwischenlagern, wieder abgeben und Stuttgart allein mit diesem Puffer rechnerisch bis zu 15 Stunden versorgen.

Der dritte Baustein ist eine Anlage zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme, also die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). 30 Megawatt Wärme und 30 Megawatt Strom sind die anvisierten Leistungsdaten. Die drei Gasmotoren sollen das neue Heizwerk bei der Fernwärme-Produktion ergänzen und zugleich Strom in das Netz einspeisen. „Wir freuen uns, dass die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für KWK-Anlagen den Bau dieser hocheffizienten und flexiblen Anlage möglich gemacht haben - trotz des ansonsten schwierigen Marktumfelds“, sagte Projektleiterin Diana van den Bergh. Sie betont, dass der Neubau insgesamt zu einer deutlichen Entlastung der Umwelt führen wird: So werde sich der Ausstoß von Kohlendioxid (um circa 60 000 Tonnen pro Jahr), Feinstaub, Schwermetalle und Schwefeldioxid deutlich verringern. Auch die Werte für Stickoxide (NOx) und Formaldehyd würden deutlich unter den gesetzlich zulässigen Werten liegen.

Die EnBW verspricht, dass sowohl das Heizwerk als auch die KWK-Anlage hocheffizient arbeiten werden: Der Nutzungsgrad der eingesetzten Energie werde bis zu 90 Prozent betragen. Das Gesamtkonzept biete beste Voraussetzungen, um künftig auch erneuerbare Energien wie Solarthermie und Abwärme in das System zu integrieren und eine Verknüpfung von Nah- und Fernwärme herzustellen - auch in Zusammenarbeit mit Dritten.

Das Heutige Kraftwerk

Die derzeitige Anlage in Gaisburg arbeitet seit mehr als 60 Jahren im Verbund mit den Heizkraftwerken in Münster und Altbach sowie dem Heizwerk Marienstraße. Das System versorgt 25 000 Haushalte, 1300 Firmen und 300 öffentliche Einrichtungen in Stuttgart und Umgebung mit Fernwärme. Das Heizkraftwerk Gaisburg deckt dabei vor allem Zeiten mit hohem Bedarf im Winter ab und dient als Reserve für die beiden größeren Standorte. Derzeit sind noch ein kohlebefeuerter und zwei ältere, gasbefeuerte Kessel sowie Gegendruckturbinen in Betrieb; weitere Anlagen sind bereits stillgelegt. Insgesamt erreicht das heutige Heizkraftwerk eine Wärme-Leistung von rund 270 Megawatt. Weitere Infos gibt es unter www.enbw.com/gaisburg.