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Von Karla Schairer

Stuttgart - „Es ist nicht mein Job, darüber nachzudenken, ob es gut ist, dass ich die Wildcard bekommen habe“, sagte Maria Scharapowa nach ihrem eindrucksvollen Comeback beim Tennis-Grand-Prix in Stuttgart nach ihrer 15-monatigen Dopingsperre. Gestern Abend gewann sie mit 7:5, 6:3 gegen die Italienerin Roberta Vinci und steht heute ihrer Landsfrau Jekaterina Makarowa im Achtelfinale gegenüber. Für Scharapowa ist die Aufgabe gegen die Weltranglisten-43. durchaus machbar.

Den Presse-Wirbel um ihre umstrittene Wildcard nahm die Russin professionell und kühl zur Kenntnis: „Es sind nicht, Worte, Zitate oder Artikel, die am Ende zählen. Das habe ich im vergangenen Jahr gelernt. Es zählt, was auf dem Platz passiert.“ Und dort machte sie ihren Job.

Die sonst so kühle Russin verteilte nach ihrem Sieg überglücklich und für ihre Verhältnisse strahlend Handküsschen ins Publikum. Die 4400 Zuschauer hatten die Wildcard-Inhaberin nicht überschwänglicher als eine andere Spielerin begrüßt, Buhrufe blieben aus. Ein paar „Welcome back“-Plakate wurden geschwenkt.

Scharapowa lag schnell 0:2 hinten. Dann holte sie mit einem Break ihr erstes Spiel und es entwickelte sich ein zähes, aber ausgeglichenes Duell. Die Weltranglisten-36. aus Italien spielte nicht raffiniert genug, um Scharapowa zu fordern. Diese wiederum kam langsam in ihren alten Rhythmus und entschied den ersten Satz für sich. In den Pausen wirkte Scharapowa wie früher, saß konzentriert und regungslos auf ihrem Stuhl. Vielleicht atmete sie einen Tick tiefer ein, aber ihre routinierten, fast zwanghaften Abläufe waren dieselben. Und dann wurde auch ihr Spiel wie früher: Insgesamt schlug sie elf Asse, sie spielte risikoreicher, aber auch mit Fehlern. Und ihr Stöhnen durfte dabei natürlich auch nicht fehlen.

„Diese paar Sekunden, bevor man auf das Feld läuft, sind das beste Gefühl der Welt“, sagte Scharapowa, die diese Emotionen vermisst hatte: „Ich habe darauf eine lange Zeit gewartet. Jedes Match ist wichtig für mich. „Während ihrer Sperre sei sie als Person gewachsen, habe eine Zeit den Tennisschläger beiseite gelegt und viele neue Interessen entdeckt. „Sie spielte auf einem hohen Level, sehr fokussiert und aggressiv. Sie spielte gut. Sie hat verdient gewonnen“, sagte die Verliererin Vinci, die die Wildcard an Scharapowa kritisiert hatte – wie viele andere Spielerinnen. Ob sie nun Brücken bauen wolle zu ihren Konkurrentinen? „Was hat das mit meinem Tennis zu tun?“, antwortet sie darauf.

Vor Ablauf der Sperre durfte sie nicht in die Porsche-Arena, daher konnte Scharapowa erst gestern Morgen ab 9.13 Uhr für eine Stunde auf dem Sand in Stuttgart trainieren – beobachtet von zig Fotografen. Das kurze Kennenlernen mit dem Stuttgarter Sand reichte ihr wohl, um gegen Vinci fast wieder die Alte zu sein. Es war ihr erstes Spiel seit den Australian Open 2016, bei denen sie positiv auf das verbotene Medikament Meldonium getestet wurde. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hatte es zu Beginn des Jahres auf die Liste der verbotenen Medikamente gesetzt. Scharapowa, die das in Russland gängige Medikament jahrelang genommen hatte, gab an, nichts von den neuen Regeln gewusst zu haben.
Im Halbfinale könnte sie auf die deutsche Nummer eins Angelique Kerber treffen. Die bekommt es heute (18.30 Uhr) in ihrem Erstrundenspiel mit Kristina Mladenovic zu tun. Die Weltranglisten-19. aus Frankreich siegte gestern mit 6:4, 6:2 gegen Mirjana Lucic-Baroni. Als erste Viertelfinalistin steht Simona Halep fest. Die Rumänin siegte gegen die Tschechin Barbora Strycova mit 6:2, 6:3.

Kommentar

Lieber kämpfen

Falls es jemand noch nicht mitbekommen haben sollte: Die Tennisspielerin Maria Scharapowa gibt nach ihrer 15-monatigen Dopingsperre ihr Comeback auf der Tour. Das nicht zu bemerken, ist in diesen Tagen ziemlich schwer. In der Porsche-Arena in Stuttgart ist beim Tennis-Grand-Prix ein so großer Medienauflauf wie noch nie bei diesem Turnier. Akkreditierungen mussten abgelehnt, der Pressebereich umstrukturiert, zusätzliche Container aufgestellt werden. Quasi die ganze internationale Presse ist da, aus allen Herren Länder, dazu 14 Fernsehstationen. Als ob es ein Grand Slam wäre. Alle sind sie wegen der Russin gekommen. Und dem Turnierveranstalter läuft das rein, natürlich.
Ausverkaufte Halle, die Aufmerksamkeit der ganzen (Tennis-)Welt ist dem Stuttgarter Turnier gewiss. Schon seit Wochen wird wegen ihrer Wildcard diskutiert, deren Vergabe Scharapowas Konkurrentinnen bitter aufstößt. Dass eine Dopingsünderin eine Wildcard bekommt, begrüßt praktisch keine Spielerin. Angelique Kerber hätte die Wildcard lieber ihrer deutschen Kollegin Julia Görges gegeben. Der Veranstalter erklärt, dass es nun mal die Regeln seien, dass Scharapowa ihre Sperre abgesessen habe. Dazu kommt, dass die 30-Jährige auch Markenbotschafterin des Turniersponsors Porsche ist.

Die Russin polarisierte schon vor der umstrittenen Wildcard-Vergabe, vor ihrer Dopingsperre. Für Scharapowa ist Tennis ihr Beruf: Sie spielt ihr Spiel, als ob sie zur Arbeit gehen würde, geht nach Hause und schließt die Tür. Quatschen mit den anderen Spielerinnen, Kaffee trinken, Freundschaften pflegen – alles Zeitverschwendung, das lenkt nur ab. Scharapowa konzentriert sich ganz auf sich. Dass sie damit als eiskalte Diva, als Biest bezeichnet wird, ist ihr egal. Es geht ihr um ihr Spiel, um den Sport. Das kann unsympathisch wirken. Man kann es aber auch als hochprofessionell bezeichnen. Und das wäre sie auch gewesen, wenn sie die Wildcard nicht bekommen und Respekt vor den anderen Spielerinnen und dem ihr so wichtigen Sport gezeigt hätte: Die Ochsentour auf sich genommen und sich wieder von unten nach oben gekämpft hätte.

Dann wäre die Wildcard an Görges gegangen, die für das – ebenfalls von Porsche gesponsorte – deutsche Fed-Cup-Team antritt. Eine weitere deutsche Spielerin hätte dem Turnier gut getan. Aber Scharapowa tut das aus Sicht des Veranstalters mehr.

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Karla Schairer