Die Zeiten der Interimsspielstätte sind vorbei - die Wagenhallen werden saniert, um den Kulturbetrieb auf Dauer zu erhalten. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Der Countdown für den Kulturbetrieb läuft: Am 31. Dezember werden die Wagenhallen geschlossen. 30 Millionen Euro investiert die Stadt in den Umbau des historischen Gebäudes zu einer künstlerischen Produktions- und Veranstaltungsstätte. Ob es bei dieser Summe bleibt, wird sich zeigen müssen - es bestehen beträchtliche Kostenrisiken.

Den Grundsatzbeschluss zur Sanierung der Wagenhallen hatte der Gemeinderat in diesem Mai mehrheitlich gefasst - seither haben sich die Gesamtkosten allerdings um 500 000 Euro auf 29,74 Millionen Euro erhöht. Unter anderem sind Artenschutzauflagen dafür verantwortlich - für Mauereidechsen musste ein Ersatzquartier eingerichtet werden. Trotz der intensiven Planung sei eine weitere Kostensteigerung nicht ausgeschlossen, heißt es im Rathaus. Risiken würden sich durch verdeckte Mängel der Bausubstanz sowie durch Schadstoffe und mögliche Altlasten aus der über hundertjährigen Eisenbahnnutzung ergeben - sie ließen sich erst während der Baumaßnahmen erkennen. Dennoch betont Oberbürgermeister Fritz Kuhn: „Die Wagenhallen sollen auch zukünftig das kulturelle Profil der Landeshauptstadt bereichern. Sie genießen nicht nur großes Ansehen in der Stadtgesellschaft, sondern sind Anziehungspunkt weit über die Stadtgrenzen hinaus.“ Darüber hinaus könnten die Wagenhallen „als kultureller Stadtbaustein das künftige Gesicht eines neuen Stadtteils am Inneren Nordbahnhof prägen“.

Ursprünglich sollten die längst schon nicht mehr für die Reparatur von Lokomotiven und später von Bussen der SSB benötigten Wagenhallen abgerissen werden. Doch dann zogen Künstler, Musiker und Kreative in die leer stehenden Gemäuer ein. Das Flair des Provisoriums begeistert seit nunmehr 13 Jahren die Szene. Doch mit dem Kulturbetrieb ist am 31. Dezember Schluss, die Mieter müssen in Interimsquartiere umziehen. Ab Januar 2017 wird mit dem Um- und Ausbau der Wagenhallen begonnen.

Der Entwurf des Architekturbüros Atelier Brückner sieht vor, die historische Gebäudeform wieder herzustellen. Die prägnante Stahlkonstruktion und die charakteristische Mauerwerksfassade werden ertüchtigt, das Dach wird durch eine eigens entwickelte, leichtere Konstruktion ersetzt, die zugleich besonders gut schallgedämmt sein wird - die Lärmbelästigung der Anwohner sorgte immer wieder für Diskussionen. Störende und baufällige Anbauten aus den 1930er- und 1960er-Jahren werden entfernt, verloren gegangene Bauteile der Originalstruktur wieder ergänzt. Als Ersatz für den Rückbau ist vorgesehen, das Gebäudeensemble durch einen zweigeschossigen Atelierneubau zu vervollständigen. Ab Mitte 2018 sollen die Nutzer nach und nach die Räumlichkeiten wieder beziehen können. Allerdings: Der Terminplan sei knapp konzipiert, räumt man im Rathaus ein.

Nach der Sanierung werden sich die Wagenhallen in drei Bereiche aufteilen. Herzstück ist die 4050 Quadratmeter große Veranstaltungshalle, in der bis zu 2100 Besucher Platz finden werden. Für Ateliers stehen rund 9500 Quadratmeter zur Verfügung - fast doppelt so viel Fläche wie bislang. Und schließlich gibt es 450 Quadratmeter für die Tanzschule Tango Ocho. Sie gehört neben der für den Kulturbetrieb zuständigen Mellmann und Gutbrod GbR sowie dem Kunstverein Wagenhallen zu den Hauptnutzern der Wagenhallen. Alle drei müssen aus eigner Kraft insgesamt fast 2,9 Millionen Euro zum Projekt beisteuern. Die Stadt hofft, dass ein Teil der Investitionssumme zudem durch Zuschüsse gedeckt wird. Beim Regierungspräsidium wurden 12,4 Millionen Euro Fördermittel beantragt.

Der Gemeinderat soll den Baubeschluss noch vor Weihnachten fassen. Trotz aller Kritik am teuren Vorhaben gilt die Zustimmung als sicher: Ohne die Sanierung müssten die Wagenhallen aufgrund von Sicherheitsmängeln ganz geschlossen werden. In ihrer heutigen Form würde die Spielstätte nicht länger genehmigt werden.