Stuttgart (seb) - Das Klinikum Stuttgart hat in den vergangenen Jahren Patienten aus Libyen und Kuwait behandelt, blieb jedoch bislang auf Kosten von rund 9,4 Millionen Euro sitzen. Ende 2015 hat das Rechnungsprüfungsamt die riskanten Auslandsgeschäfte kritisiert, die Stadt eine lückenlose Aufklärung angekündigt. Gestern hat der Erste Bürgermeister Michael Föll im Krankenhausausschuss über den Stand der Dinge informiert.

„Der Stadt ist es wichtig, dass die Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Projekten Libyen und Kuwait stellen, in enger Zusammenarbeit mit den ermittelnden Strafverfolgungsbehörden von Grund auf geklärt werden“, betonte Föll. „Außerdem sind Handlungsempfehlungen, die sich daraus ergeben, rasch und konsequent umzusetzen.“ Unabhängig von laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Steuerbehörden prüfe die Stadt Regress- und Haftungsansprüche gegen Beteiligte. Die Stadt erwartet bis zum Jahresende den abschließenden Bericht der Anwaltskanzlei BRP Renaud und Partner, die sich seit einigen Monaten intensiv mit den Verträgen in strafrechtlicher, zivilrechtlicher und arbeitsrechtlicher Hinsicht befasst.

Im Juni 2013 hatte die „International Unit“, so der Name der Abteilung für Auslandsgeschäfte, einen Vertrag mit der libyschen Übergangsregierung zur Behandlung von Kriegsversehrten im Klinikum geschlossen. Rund 370 Patienten wurden medizinisch versorgt. Ohne Vorkasse. Darüber hinaus erhielten sie Taschen- und Essensgelder, außerdem wurde für deren Unterbringung außerhalb des Klinikums gesorgt. Im Februar 2014 erklärte man sich zudem bereit, die medizinische Abteilung und das Management des Al-Razi-Krankenhauses in Kuwait zu optimieren. Das Problem: Die kuwaitischen Vertragspartner wollen für die erbrachten Leistungen bestenfalls nur noch reduziert zahlen.

Das städtische Rechnungsprüfungsamt stellte eine hohe Intransparenz bei der Durchführung der Projekte fest. Vertragsinhalte und die Aufgaben der beauftragten Dienstleister seien häufig unklar und zum Teil mit einseitigen Risiken für das Klinikum behaftet. „Auch liegen nicht immer rechnungsbegründende Unterlagen für geleistete Zahlungen vor“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt. Die Überwachung der International Unit sei insgesamt unzulänglich gewesen und das interne Frühwarnsystem dem finanziellen Umfang der Projekte nicht angemessen. Von den Verantwortlichen seien Grundsätze der Zuständigkeitsregelungen missachtet worden. Auch steuerrechtliche Fragestellungen wurden nicht ausreichend beachtet.

Mit der Krankenhausleitung ist der Erste Bürgermeister sich einig, die erfolgreiche medizinische Behandlung von ausländischen Patienten auch künftig fortzusetzen. Reinhard Schimandl, der Geschäftsführer des Klinikums Stuttgart, betonte jedoch, dass die International Unit Anfang 2017 als organisatorische Einheit nicht mehr in der bisherigen Form weitergeführt und die Abläufe für die Behandlung ausländischer Patienten in die üblichen Geschäftsvorgänge des Klinikums Stuttgart integriert werden. Die hierfür erforderlichen Änderungen in der Organisationsstruktur seien auf den Weg gebracht. Unter anderem wurde im vergangenen Januar die Geschäftsordnung der International Unit geändert. Darin sei den festgestellten organisatorischen Mängeln Rechnung getragen worden. Zudem dürfen keine Verträge mehr mit Vermittlungs- und Betreuungsdiensten abgeschlossen werden.

Wegen der Risiken aus der Arbeit der International Unit mit möglichen Steuernachzahlungen aus der Libyen-Kooperation und einer Risikovorsorge für die Kuwait-Verträge hat das Klinikum für das Haushaltsjahr 2015 Rückstellungen und Wertberichtigungen in Höhe von 9,8 Millionen Euro gebildet.