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Stuttgart (dpa) - „Bubblegum“ gibt es für 10 Cent, „Spielwaren in Kapseln“ für 20 oder 50 Cent. Die Krieger-Figuren sind teurer. Der Kaugummi-Automat, der an einer Hauswand in der Stuttgarter Hegelstraße hängt, ist rot und ein bisschen rostig. Nur eines ist er nicht: ungewöhnlich. So oder so ähnlich sehen die meisten Kaugummi-Automaten in Deutschland aus. Haben sie so eine Überlebenschance?
Wer nach ihnen Ausschau hält, findet einige: In der Nähe von Supermärkten, in Wohnvierteln mit Kindern - und auf Instagram. Denn zumindest im Internet sind die Kästen inzwischen Kunstobjekt statt Kleinkram-Spender. Vor allem in Großstädten werden die Automaten auch mit Kunst gefüllt - und neu gestaltet.
„Es überleben die, die kreativ sind und sich wirklich Gedanken über die Kunden von morgen machen“, sagt einer, der es wissen muss. Paul Brühl ist Geschäftsführer vom Verband der Automaten-Fachaufsteller (Vafa) im rheinländischen Langenfeld. „Die Geräte ähneln sich vom Typ her - auch die Neuen“, räumt er mit Blick auf die recht abgegriffene Optik ein. Erste Anbieter machten sich aber Gedanken über kreative Füllungen. „Manche nehmen über soziale Medien Kontakt mit den Kunden auf.“
Bisher dominiert Altbekanntes: Kaugummi, Spielsachen und Schmuck. „Es sind im Prinzip schon die Klassiker. Das wundert mich auch“, sagt Brühl. „Bei dem Kaugummi, den ich im Supermarkt kaufe, bekomme ich für mein Geld oft mehr. Wer als Aufsteller clever ist, setzt auf ein vernünftiges Produkt.“ Immerhin: Die knallbunten Kugeln aus dem Kasten gebe es im Supermarkt so nicht zu kaufen, nur beim Großhandel.
Inzwischen gibt es aber eine Gegenbewegung. Im Stuttgarter Westen, gar nicht weit entfernt von dem rostig-roten Klassiker, haben Kreative zwei Automaten angebracht, die frischen Wind verheißen - mit Kunst statt Kaugummi. Ab einem Euro können Passanten aus den goldfarbenen und wild bemalten Kästen teils skurrile Dinge ziehen - von Basteleien über Gedichte bis hin zu Anhängern in Zahn-Form. Auch andernorts gibt es Kunstautomaten, etwa in Potsdam und Berlin.
Dahinter stehen freilich nicht die professionellen Betreiber. Denn das Geschäft lohnt sich nur in der Masse. „Sie machen da keine Reichtümer“, sagt Brühl. Ein durchschnittlicher Kaugummi-Automat werfe im Jahr bis zu 100 Euro Umsatz ab. Für Betreiber mit weniger als 100 Automaten lohne das Geschäft nicht. Der Verband schätzt, dass es bundesweit zwischen 500 000 und 800 000 Kaugummi-Automaten gibt - und etwa 250 Aufsteller den Löwenanteil daran haben.
Einige dieser Automaten haben es schon zu einer gewissen Berühmtheit gebracht - im Internet. Denn inzwischen dienen sie immer wieder Fotografen als Kunstobjekt. Auf Instagram laden Nutzer zahlreiche Fotos der bunten Maschinen hoch, versehen mit Hashtags wie #Kindheitserinnerung #Gutealtezeit, #Vintage oder #90er.
Katrin Sommer aus Burscheid betreibt einen Kaugummi-Automaten an der eigenen Hauswand und beobachtet: „Die Leute machen unglaublich viele Selfies damit.“ Sommer, die neben dem Kaugummi auch mehrere Snackautomaten betreibt, macht sich das Internet zunutze: „Meine Arbeit ist 90 Prozent bei Social Media“, sagt sie. „Das ist ein riesen Vertriebskanal.“ Durch das Bekanntmachen im Netz würden die Automaten viel präsenter - und dadurch öfter angesteuert.
Einer, der Automaten-Fotos bei Instagram hochlädt, ist der Künstler Max Schwarck, der in den beiden vergangenen Jahren in Berlin loszog und „die vermutlich süßeste Maschine der Kindheit“ porträtierte, wie er es nennt. Ein Ergebnis der Bildreihe: Kaugummi-Automaten sind „vom bloßen Verkaufsautomaten zu einem Zeichenspeicher von Stadtkultur umfunktioniert“ worden, schreibt Schwarck auf seiner Internetseite.
Damit meint er die zahlreichen Sprüche, die Passanten an die Kästen geklebt oder gekritzelt haben - von „Kein Tier ist egal“ bis „Ich liebe mein Leben“. Schwarck: „Jeder Automat erzählt seine individuellen und einzigartigen Geschichten.“
Eine dürfte aber immer darunter sein: die der ziemlich klebrigen Kindheitserinnerung. „Diese Automaten haben eine Bedeutung. Daran probieren die Kinder ihre ersten Kauferlebnisse aus. Begleitet vom Prozess: Hoffentlich kommt da was raus - und kommt da auch das raus, was ich hoffe?“, sagt Vafa-Geschäftsführer Brühl. „Sie sind die Wundertüte der Automatenbranche.“