Regelmäßig demonstrieren Anwohner für bessere Luft in der Landeshauptstadt. Die Feinstaubbelastung ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Am Neckartor liegt sie immer noch über den erlaubten Grenzwerten. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Noch hat es in diesem Herbst keinen Feinstaubalarm gegeben, bislang war es zu nass. Die Verantwortlichen des Eigentümervereins Haus & Grund sind dennoch von der Debatte genervt. Stuttgart werde erneut als „Dreckhauptstadt“ abgestempelt, obwohl sich die Luftwerte gegenüber dem Vorjahr deutlich verbessert haben, so der Vorsitzende Klaus Lang. „Der Feinstaubalarmismus beschmutzt das Image der Stadt.“

„Die Stadt muss weiter an dem Problem, dass es an Tagen mit austauscharmer Wetterlage stellenweise erhöhte Feinstaubwerte gibt, arbeiten. Die Luft muss besser werden, aber die Hysterie muss aufhören“, sagt Lang. Zugleich kritisiert der Vorsitzende Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Er schaue passiv zu, wie Stuttgart in den Medien bundesweit weiterhin als „Feinstaubmetropole“ und „dreckigste Stadt Deutschlands“ bezeichnet werde. „Dieses Verhalten weckt den Verdacht, dass die Situation bewusst dramatisiert wird, um das Auto zu diskreditieren.“ Lang unterstellt, dass die Rufschädigung billigend in Kauf genommen werde - mit allen negativen Folgen für den Standort. „So beklagen Einzelhändler an Alarmtagen bereits Umsatzeinbußen und Hoteliers erste Stornierungen wegen des entstandenen Negativimages.“ Armin Dellnitz, dem Geschäftsführer der Stuttgart-Marketing GmbH, sind solche Stornierungen nicht bekannt. „Dennoch betrachten auch wir mit Sorge, wie pauschalisiert negativ das Thema Feinstaubalarm in Teilen der Öffentlichkeit wirkt.“

Kritik übt Haus & Grund auch an den Maßnahmen, die gegen die Luftverschmutzung getroffen werden. Geschäftsführer Ulrich Wecker lobt zwar das Feinstaub-Ticket. Er vermisse jedoch im Rathaus die notwendige Konsequenz. Es mache keinen Sinn, dass es das Firmenticket regulär erst für größere Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern gebe. „Statt es bei Porsche, Daimler & Co medial groß zu feiern, sollte der OB dafür sorgen, dass es auch kleinere Unternehmen nutzen können.“ Nur über einen Umweg über den gewerkschaftsnahen Auto Club Europa (ACE) sei es Haus & Grund gelungen, das Firmenticket auch den eigenen Mitarbeitern anzubieten.

Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) widerspricht der Einschätzung des Eigentümervereins vehement. „Bereits seit April 2014 können sich kleine Unternehmen problemlos zusammenschließen oder ihre Bestellung über einen Verband wie die Kreishandwerkerschaft, die City-Initiative Stuttgart oder den ACE abwickeln. Unsere Vertriebspartner, die SSB und die Bahn, stehen für Auskünfte zur Verfügung“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Im vergangenen Monat sei die Marke von 70 000 Firmentickets geknackt worden. „Es ist ein Erfolgsmodell. Inzwischen geben mehr als 450 Firmen, vor allem viele kleine und mittlere Unternehmen, ihren Mitarbeitern einen Fahrtkostenzuschuss zum öffentlichen Nahverkehr. Dazu gehören Handwerksbetriebe, Arztpraxen und Einzelhandelsgeschäfte.“

Und trotzdem wird das Firmenticket wohl nicht reichen, um genügend Pendler von der Straße zu locken. Haus & Grund warnt in diesem Zusammenhang vor den drohenden Fahrverboten. In der Herzkammer der Region hieße das Herzstillstand, so Lang. Und Wecker fügt hinzu, dass es nicht reiche, im Rathaus auf die blaue Plakette zu warten. „Zumal es derzeit hierfür keine politischen Mehrheiten gibt.“ Mit Blick auf den Vergleich, der zwischen Land und Anwohnern am Neckartor getroffen wurde, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die an dem Problempunkt kurzfristig greifen. Hier dürfe es keine Denkverbote geben. „Es wäre an der Zeit, dass die Stadt mit den betroffenen Eigentümern am Neckartor endlich über den Kauf beziehungsweise die Umnutzung ihrer Wohnhäuser spricht, wie es etwa auch am Tunnelmund des Rosensteintunnels geschehen ist“, sagt Lang.

Ein Vorschlag, den Manfred Niess, Anwohner und Feinstaubkläger, nicht zum ersten Mal hört. „Das würde bedeuten, dass wir dem Auto Platz machen. Für eine lebenswerte Stadt das falsche Zeichen.“ Zugleich betont der Koordinator des Klima- und Umweltbündnis Stuttgart, dass es nicht um den Imageschaden der Stadt gehe, sondern um die Gesundheit der Bürger. „Feinstaub und Stickoxide sind krebserregend. Stuttgart ist bundesweit die einzige Stadt, die jedes Jahr konstant die Grenzwerte nicht einhalten kann.“