In vielen Familien kommt es regelmäßig zu Übergriffen, dennoch wird „häusliche Gewalt“ in der Gesellschaft tabuisiert. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (red) - Einer Statistik zufolge sollen bundesweit 30 Prozent aller Familien schon Erfahrungen mit häuslicher Gewalt gemacht haben. Allein in Stuttgart wären demnach 16 500 Haushalte betroffen. Im Rahmen des Projekts „Hinschauen - Erkennen - Handeln“ hat die Stadt gestern einen Flyer und einen Film vorgestellt, die auf diese Problematik hinweisen sollen.

„Die Zahlen machen nachdenklich“, sagte Ursula Matschke, die Leiterin der städtischen Abteilung für individuelle Chancengleichheit. Häusliche Gewalt werde immer noch tabuisiert. „Es wird weiterhin weggeschaut, nicht hingehört oder die Taten und Folgen nicht ernst genommen.“

Dass das Thema nicht neu ist, zeigt das Projekt „Hinschauen - Erkennen - Handeln.“ Bereits vor 30 Jahren wurde es mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung ins Leben gerufen, um Übergriffen in den eigenen vier Wänden entgegenzuwirken. Gestern wurden ein Flyer und ein Film vorgestellt, die das öffentliche Bewusstsein wach halten sollen. „Dabei wurde die Beziehungsgewalt in den Blick genommen, also Gewalt zwischen Paaren und nächsten Verwandte“, sagt die Projektbotschafterin Waltraud Ulshöfer, die betont, dass häusliche Gewalt kein Randthema sei. „Wir haben uns ganz bewusst gefragt, wie sich die Gewalt auf Kinder auswirkt.“ Für sie sei erlebte Gewalt quasi eine Erblast. Unter anderem wurden daher in der Projektarbeit mit Kindern, Jugendlichen und pädagogischen Fachkräften Methoden der Gewaltsensibilisierung und des gewaltfreien Umgangs erarbeitet.

Entstanden sei ein Katalog, den Experten der Fachberatungsstelle für Schulungsmaßnahmen nutzen können, zum Beispiel in Kitas oder Ganztagsschulen. Des Weiteren choreografierte Eric Gauthier unter dem Titel „drinnen und draußen“ eine Tanzszene zum Thema Beziehungsgewalt. „Dieser Film ist berührend und verstörend zugleich. Er zeigt Rituale der Gewalt in Verbindung mit der Attraktivität, die die Partner weiterhin füreinander empfinden, und auch mit der Harmonie, die sie nach außen ausstrahlen“, so Ulshöfer.

Darüber hinaus soll mit dem Folgeprojekt „Wenn Liebe weh tut“ mit Jugendlichen über den respektvollen Umgang mit dem Partner gesprochen werden. „Jugendliche machen in ihren ersten Beziehung wichtigste Erfahrungen, nicht immer ist es der liebevolle Umgang des Partners“, sagt Matschke. „Manchmal gehen die Gefühle mit den Jugendlichen durch und aus Eifersucht oder Neid kann Hass oder auch Gewalt entstehen. Wir wollen den Jugendlichen Wege aus schwierigen Situationen zeigen. Meist hilft es, einfach darüber zu reden“.

Das Folgeprojekt richtet sich an Lehrer und Sozialpädagogen, die mit Schüler ab der achten Klasse arbeiten. Die Fachkräfte werden befähigt, Workshops zukünftig eigenverantwortlich zu leiten.