Finanzbürgermeister Michael Föll (links) und OB Kuhn mit dem 465 Seiten dicken Entwurf zum Haushaltsplan 2016 und 2017. Foto: Archivbild Steegmüller

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Bei der Aufstellung des städtischen Haushalts zeichnet Finanzbürgermeister Michael Föll mit Verweis auf allgemeine Risiken und teure Nebenwirkungen gern düstere Szenarien der Finanzsituation. Doch die Fraktionen sind seiner chronischen Tiefstapelei mittlerweile überdrüssig: Die Kassenlage ist nämlich deutlich besser als prognostiziert. Schon wird der Ruf nach weiteren Investitionen und Steuersenkungen laut.

Wider Erwarten sah sich der Kämmerer gestern im Verwaltungsausschuss harscher Kritik ausgesetzt, als er den Jahresabschluss 2015 vorlegte. Einen sehr guten Abschluss, wohlgemerkt. Der Jahresüberschuss beträgt demnach 245,2 Millionen Euro - das sind ganze 220,5 Millionen Euro mehr als erwartet. Bei der Nachtragsplanung war man von gerade mal 24,7 Millionen Euro ausgegangen. Das ordentliche Ergebnis beträgt 273,9 Millionen Euro und liegt damit sage und schreibe 225,2 Millionen Euro über den ursprünglichen Erwartungen. Das Sachvermögen der Stadt Stuttgart hat sich im Haushaltsjahr 2015 um 56,8 Millionen auf 4,54 Milliarden Euro erhöht, das Finanzvermögen um 72,2 Millionen auf 4,20 Milliarden Euro. Die geplante Aufnahme neuer Kredite in Höhe von 142,8 Millionen Euro war nicht erforderlich. Unterm Strich verblieben in der Stadtkasse 306,8 Millionen Euro freie Finanzmittel - kalkuliert worden war mit lediglich 114 Millionen Euro.

Auch die aktuelle Entwicklung ist positiv. Der gestern präsentierte Zwischenbericht zur Finanzlage im ersten Halbjahr listet zahlreiche Verbesserungen auf, vor allem höhere Steuerzuweisungen. Zugleich fallen die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung und die Sozialausgaben deutlich geringer aus als erwartet. Im Ergebnishaushalt ergibt sich ein Plus von 11 Millionen Euro, sodass das im Plan 2016 ausgewiesene ordentliche Ergebnis (4 Millionen Euro) auf voraussichtlich 15 Millionen Euro gesteigert werden kann. Erneut ist keine Kreditaufnahme erforderlich. „Die Liquidität ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert gut“, erklärte der Kämmerer.

Selbst dann, wenn man unter anderem das höher ausfallende Defizit des Klinikums berücksichtigt, das die Stadtkasse mit 21,4 Millionen Euro belastet, ebenso den Kredit für den Eigenbetrieb Stadtentwässerung (16,4 Millionen Euro) und den Verzicht auf die Globale Minderausgabe (29 Millionen Euro), bleiben vom Überschuss unterm Strich noch 33,5 Millionen Euro freie Mittel. Diese möchte Föll zur Reduzierung der 2017 geplanten Kreditaufnahmen (vorgesehen sind 153,6 Millionen Euro) verwenden. Um für diesen Vorschlag zu werben, stimmte er sein altbekanntes Klagelied an: „Für die künftigen Haushaltsjahre muss weiterhin von erheblichen Risiken ausgegangen werden.“

Doch ein strikter Sparkurs stößt angesichts der neuen Zahlen auf den Widerstand der Fraktionen. Denn nicht zum ersten Mal erlebe man eine solche Situation, monierten die Stadträte unisono. Und dass sich eine so riesige Lücke zwischen dem Soll und dem Haben auftue, sei unverständlich. „Es stellt sich da schon die Frage, ob die Verwaltung in der Lage ist, eine einigermaßen realistische Einschätzung abzugeben“, kritisierte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Auch Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne) beklagte „ein Dilemma“: Jahr für Jahr würden sich Überschüsse in der Stadtkasse ansammeln, gleichzeitig aber könne man viele wichtige Investitionen nicht anpacken, weil man von anderen Annahmen ausgegangen sei. Diese Dramaturgie sei dem Bürger schwer zu vermitteln, räumte Martin Körner (SPD) ein. Es könnte gar der Eindruck entstehen, das System habe Methode, ärgerte sich Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus).

Im Herbst will die Verwaltung einen Nachtragshaushalt vorlegen. Eine Debatte über Ausgaben ist programmiert. Geht es nach dem Willen der SPD-Fraktion, sollen die außerplanmäßig zur Verfügung stehenden 33,5 Millionen Euro dafür verwendet werden, das B-27-Auffahrtsbauwerk Friedrichswahl abzureißen und eine neue Verkehrsführung in Zuffenhausen zu planen. Die bürgerlichen Parteien plädieren für eine Grundsteuersenkung. Der Eigentümerverein Haus & Grund verlangt eine Reduzierung auf mindestens 490 Punkte (bisher 520 Punkte). Für die Stadtkasse würde das 4,3 Millionen Euro weniger Einnahmen bedeuten.