Von Larissa Koch, Berliner Redaktion

Berlin/Stuttgart - „Deutschland ist kein Jammertal“ stellt der Volkswirt Bernd Raffelhüschen fest. Im Gegenteil: Die Republik hat einen deutlichen Glückssprung gemacht - die Menschen hierzulande waren seit zehn Jahren nicht mehr so zufrieden, trotz Flüchtlingskrise, Terrorangst und gestiegener Kriminalitätsrate. Das gilt vor allem für die alten Bundesländer, in den neuen ist die Zufriedenheit zuletzt leicht zurückgegangen. Das zeigt eine Befragung der Institute für Demoskopie Allensbach und Dimap, die dann von der Universität Freiburg ausgewertet wurde. Die wissenschaftliche Leitung hatte Raffelhüschen. Auftraggeber ist die Deutsche Post, die ihren „Glücksatlas 2016“ gestern in Berlin vorgestellt hat. 12 000 Haushalte bundesweit haben über ihr subjektives Glücksempfinden Auskunft gegeben. Auf einer Skala von eins bis zehn liegt dabei das durchschnittliche gesamtdeutsche Glücksniveau bei 7,11 Punkten. Ob glücklich oder nicht, das hängt ganz wesentlich davon ab, ob man einen Job hat und mit seinem Einkommen zufrieden ist. „Wir haben ein Beschäftigungswunder“, erklärt Raffelhüschen die gestiegene Zufriedenheit.

Wirtschaftlicher Boom

Geht es dem Bundesbürger wirtschaftlich und gesundheitlich gut, dann fühlt er sich in der Regel glücklich. Das gilt vor allem für die westdeutschen Länder, die im Durchschnitt 7,18 Punkte auf der Skala erreichen. Die Ostdeutschen liegen im Schnitt bei 6,77 Punkten. Diese subjektive Einschätzung der Bürger habe objektive Gründe, sagen die Forscher. Seit acht Jahren gebe es einen wirtschaftlichen Boom. „Das hatten wir zuletzt in den 60er-Jahren“, sagt Raffelhüschen. Die objektiven Lebensumstände hierzulande hätten sich deutlich verbessert. Sind die Deutschen so glücklich und zufrieden wie nie? Der Westen erreicht hier Spitzenwerte, der Osten hinkt hinterher, hat aber ordentlich aufgeholt, sagen die Wissenschaftler. Der schnelle Aufholprozess in Sachen Zufriedenheit habe ihn „von den Socken gehauen“, erläutert Raffelhüschen. Dieser sei aber noch nicht abgeschlossen.

Ganz unten auf dem Glücksranking steht Mecklenburg-Vorpommern mit 6,77 Punkten. An der Spitze rangiert wie schon in den Vorjahren Schleswig-Holstein (7,41 Punkte) und zwar mit deutlichem Abstand zu allen anderen Bundesländern. Die Forscher finden hierzu keine statistisch greifbare Erklärung. Die ökonomische Lage und andere für die Zufriedenheit relevante Faktoren seien dort nicht besser als andernorts. „Wir nennen es das weiße Rauschen“, sagt Raffelhüschen. Es müsse etwas mit der Mentalität der Schleswig-Holsteiner zu tun haben. In Schleswig-Holstein lebten offensichtlich viele Menschen, für die das Glas eher halb voll als halb leer ist.

Familiäre Situation wichtig

Zentral für ein glückliches Leben ist neben Beschäftigung, Einkommen und Gesundheit auch die familiäre Situation. Paare sind glücklicher als Singles, noch glücklicher aber sind Getrennte mit neuem Partner. Kinder und Enkel sind ebenfalls Quellen des Glücks. Der Glücksatlas hat dieses Jahr auch den Einfluss der „kulturellen Vielfalt“ auf die Lebenszufriedenheit untersucht. Die Bürger wurden danach gefragt, wie aus ihrer Sicht das Zusammenleben mit unterschiedlichen Kulturen hierzulande funktioniert. Die Mehrheit der Befragten empfindet Deutschland als weltoffen und tolerant. Für zwei Drittel der Befragten stellt die kulturelle Vielfalt zudem eine Bereicherung dar. Allerdings halten lediglich etwas mehr als 50 Prozent der Teilnehmer die Integration von Migranten in Deutschland für gelungen. Es hat sich gezeigt, dass die Bürger im Osten weniger tolerant und weltoffen sind als die im Westen. Und hier offenbart sich ein klarer Zusammenhang: je weltoffener und toleranter, desto glücklicher.

„Wenn Sie heute noch wenig tolerant sind, haben Sie eine mehr als doppelt so große Chance, zufrieden zu sein, wenn Sie sich entscheiden, toleranter zu sein“, erklärt Jürgen Gerdes aus dem Konzernvorstand der Deutschen Post. Die Schlüsselerklärung sei der persönliche Kontakt, der den Menschen gut tue. Für eines der reichsten Länder Europas ist eine gefühlte Zufriedenheitsmarke um die 7 aber kein beachtlicher Wert. Deutschland liegt damit auf dem neunten Rang, Nachbar Dänemark liegt an der Spitze. Damit wohnen dort die glücklichsten Europäer. Woran also liegt die deutsche Gemengelage? „Für einen Spitzenplatz reicht das Materielle nicht aus“, sagt Karlheinz Ruckriegel, Ökonom und Glücksforscher an der Technischen Hochschule Nürnberg. „Das sieht man daran, dass Südbayern als wirtschaftliche Powerstation in Deutschland nicht die glücklichste Region ist.“

Die Badener sind mit ihrem Leben etwas weniger zufrieden als vor einem Jahr, aber zufriedener als die Württemberger. Auf der Skala von 0 bis 10 gaben die Menschen in Baden ihre Zufriedenheit mit ihrem Leben mit 7,21 an, im Vorjahr lag der Wert bei 7,22. Nach Platz zwei im Vorjahr reicht das in diesem Jahr nur noch für Platz vier. Württemberg kommt mit einem Wert von 7,15 (Vorjahr: 7,12) auf den neunten Platz der 19 untersuchten Regionen. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7,11 Punkten. Was Baden und Württemberg eint, sind die niedrige Arbeitslosenquote, das hohe Einkommen und gute Werte in Sachen Gesundheit und Pflege. Negativ wirkt sich der hohe Anteil der Mietkosten am Haushaltseinkommen auf die Zufriedenheit aus; vor allem in Baden, wo die Zufriedenheit im Bereich Wohnen und Freizeit leicht unter den deutschen Durchschnitt fällt.