Ein Unbekannter hat den Anlaufpunkt für Frierende an der Paulinenstraße aufgestellt. Die Aktion kommt bei Spendern und Bedürftigen gleichermaßen gut an. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Es ist bitterkalt, doch nicht alle Menschen haben etwas Warmes zum Anziehen. Die spontane Aktion eines Stuttgarters unter der Paulinenbrücke in der Tübinger Straße bietet ihnen Hilfe.

„Dir ist kalt? Dann nimm etwas Warmes! Du willst helfen? Lass etwas da!“, ist auf einem Pappschild zu lesen, das an der Kleiderstange festgemacht ist. Mehrere dicke Jacken hängen dort auf Bügeln, auch Pullover, Mützen, Handschuhe und andere warme Kleidungsstücke werden kostenlos angeboten. Jeder kann sich bedienen. Die Open-Air-Garderobe an einem bekannten Treffpunkt für Obdachlose war auf einmal da - „und wird sehr gut angenommen“, stellt die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, Veronika Kienzle, fest. Sehr viele Spender würden sich an der in der Landeshauptstadt bislang einzigartigen Aktion beteiligen. Und Bedürftige gebe es genug.

Wer den öffentlichen Kleiderständer für Frierende initiiert hat, ist unklar. „Aber ich finde die Idee gut“, sagt Kienzle. Es sei ja gar nicht so selten, dass jemand nützliche Dinge, die er nicht mehr benötigt, vor die Haustür stelle, mit dem Hinweis, man dürfe sich bedienen. Wenn das mit Hausrat in Kisten und Büchern in öffentlichen Bücherregalen klappt, warum nicht auch mit Wintersachen am Kleiderständer?

Angesichts der gegenwärtigen Kälte sei diese Form der unbürokratischen Nachbarschaftshilfe eine tolle Sache. „Ich sehe da keine Konkurrenz zu den Kleiderkammern karitativer Einrichtungen“, meint Kienzle. Zudem funktioniere die Aktion bislang reibungslos, weiß sie durch ihre regelmäßigen Stippvisiten: Die Leute würden nur gute, brauchbare Kleidungsstücke bringen, keine ungeeigneten Sommersachen oder gar Lumpen. „Selbst ein Hundemäntelchen war schon dabei. Das ist toll, weil viele Obdachlose ja Tiere besitzen.“

Dass die Sachen nicht wild herumliegen oder der Platz mit Altkleidersäcken vermüllt werde, dafür würden Ehrenamtliche in direkter Nachbarschaft sorgen. Ralf Neipp ist einer von ihnen. Zweimal am Tag, lobt Kienzle sein Engagement, würde er dort nun nach dem Rechten schauen. Neipp hat vor ein paar Tagen den Kleiderständer auf seinem Heimweg entdeckt - und spontan mitgemacht. „Meine Winterjacke, Handschuhe und Mütze wurden sofort von einem Frierenden angezogen.“ Seither bestückt er die Kleiderstange immer wieder neu.

So herzerwärmend die Aktion auch ist, auf Dauer wird sie nicht Bestand haben, ist Kienzle überzeugt. Der Garderobenständer sei so etwas wie ein Flashmob - etwas, was unvermittelt passiere, aber auch schnell wieder vorbei sei. Wenn es wärmer wird, dann soll mit der spontanen Hilfsaktion Schluss sein. „Wir werden Schilder an diesem Platz anbringen und darauf hinweisen, wo Kleiderspenden abgegeben werden können.“