Gemeinsam mit Marie Eisendick hat sie ein Jahr ehrenamtlich in der Küche ausgeholfen. Quelle: Unbekannt

Stuttgart (seb) - Ronja Keifer war ein Jahr in Calais im sogenannten „Dschungel“ ehrenamtlich tätig. Ein Flüchtlingslager, das für Tausende von Menschen die letzte Auffangstelle auf ihrer Flucht in Richtung England gewesen ist. In einer Ausstellung, die heute Abend um 19.30 Uhr im Weltcafé am Charlottenplatz eröffnet wird, erinnert sie gemeinsam mit Marie Eisendick an die bewegte Zeit in Nordfrankreich.

Ronja Keifer ist mehr durch Zufall und aus großer Neugier in den „Dschungel“ geraten. „Eigentlich habe ich einer Freundin in Paris beim Umzug geholfen und in den Nachrichten von dem Streik der Hafenarbeiter in Calais gehört.“ Vor dem Eurotunnel bildeten sich Kilometer lange Staus. Vor allem die Bilder von Flüchtlingen, die sich in den stehenden Lastwagen verstecken wollten, beeindruckten die 24-Jährige. „Ich beschloss, mir persönlich ein Bild von der Situation zu machen.“

Calais ist aufgrund der Nähe zu England seit jeher ein Ort, der Vertriebene aus aller Welt angezogen hat. Schließlich kommt man von dort über den Ärmelkanal auf kürzestem Weg vom europäischen Festland nach Großbritannien. „Ein Ziel, das Sicherheit, Schutz und Wiedervereinigung für viele Menschen verspricht, die sich auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und fehlenden Menschenrechten befinden“, sagt Keifer. Die Stuttgarterin ist mit gewissen Vorstellungen in die Zeltstadt gereist, ihre Erwartungen wurden jedoch weit übertroffen. „Im vergangenen Sommer lebten bis zu 10 000 Menschen im Dschungel, unter Planen und in aus Holzpaletten zusammengeschusterten Häusern.“ Das Ganze habe an Townships in Afrika erinnert. „Die französische Regierung hat weggeschaut und bis zur Schließung Ende Oktober alles laufen gelassen.“ Ein blühender Schwarzmarkt, Gewalt und eigene Gesetze waren die Folge. „Es war fast ein eigener Kosmos. Die Situation war zunächst derart grausam, groß und komplex, dass es unmöglich schien, sie verstehen zu können“, so Keifer. Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb entschloss sie sich, ein Jahr ehrenamtlich in der Küche einer kleinen Organisation zu helfen. „Mir ist bewusst geworden, wie viel man durch sehr persönliche Kontakte und aus individuellen Geschichten daraus lernen kann. Zum Beispiel, aus welchen Gründen Menschen ihre Heimat verlassen, was sie sich von der Zukunft erhoffen, was ihnen am meisten fehlt.“ Sie habe so viel Gastfreundschaft erfahren von Menschen, die nichts mehr hatten. Die persönliche Annäherung sei ein guter Weg, um sich mit dem momentanen Zeitgeschehen auseinanderzusetzen und Kulturen zu entdecken.

„In diesem Sinne möchten wir das, was wir in dieser Zeit in Calais gesehen, gehört und gefühlt haben, teilen“, sagt die Literaturstudentin. Mit der Ausstellung, die noch bis zum 4. Mai im Weltcafé zu sehen ist, „eröffnen wir Einblicke in unsere persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Ein persönliches und intimes Porträt eines Ortes, der von so viel Hoffnung und Angst gefüllt ist. Eine Sammlung von Bildern und Worten, einiger der Menschen, die wir im Lager und auf den Straßen getroffen haben. Es geht nicht um Politik, sondern um Menschen.“

Die Eröffnung findet heute um 19.30 Uhr im Weltcafé, Charlottenplatz 17, statt. Der Eintritt ist frei.