Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krytzner

Stuttgart - Vielen Zoobesuchern sind alleinlebende Tiere ein Dorn im Auge. Auch die Mauern und Gitter beschäftigen die Tierfreunde. Doch der Zoodirektor der Wilhelma, Thomas Kölpin, fördert die natürlichen Lebensweisen der Tiere. Das Leben in der freien Wildbahn wird im Tierpark nachempfunden. Ebenso setzt der Zoo auf frühzeitige Ausbildung und unterstützt damit weltweite Projekte.

Längst gelten die Zoologischen Gärten in Deutschland nicht mehr nur als Schausteller für Tiere. In den meisten Tierparks sorgen sich die Kuratoren und Tierpfleger vor allem um den Erhalt der Tierarten und um den Artenschutz. In der Wilhelma ist Stefanie Reska für diesen Bereich verantwortlich und kümmert sich zeitgleich um die Umweltbildung. Pro Jahr gibt es in der Wilhelma rund 1000 Führungen für 14 000 Schüler. „Da kommen alle Altersstufen, von der ersten Klasse bis zum Studium“, berichtet sie. Etwa 25 Mal gibt es eine Lehrerfortbildung im Jahr, diese werde jeweils kostenfrei durchgeführt. „Wir setzen alles daran, möglichst frühzeitig über den Artenschutz Wissen zu vermitteln, damit Kinder und Jugendliche den Tierpark mit anderen Augen sehen können.“ Sie findet, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, anders über Tiere zu reden. „Wir sollten sie als Individuen sehen, mit eigenen Persönlichkeiten.“

Reska geht sogar einen Schritt weiter: „Menschenaffen zum Beispiel sind sehr intelligent und können zum Teil die Gebärdensprache erlernen.“ Allerdings beherrschen nicht alle Menschenaffen diese Art der Kommunikation. In einem Sprachforschungsprogramm in den USA gibt es einige, die sich jedoch ausdrücken können. Sie nennt auch gleich ein paar Beispiele. Die Affen zeigen mit ihren Gebärden ein Flaschenstreichholz und meinen damit ein Feuerzeug. Der Weiße Tiger ist ein Zebra und aus dem Augenhut wird die Sonnenbrille. „Die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmt, sobald ich mich mit ihnen unterhalten kann“, bestätigt die Artenschutzbeauftragte.

2016 war sie mit der Schweizer Tierärztin Marlene Zähner in der Demokratischen Republik Kongo in Afrika und hat dort das Congohound-Projekt und den Virunga-Nationalpark besucht. „Wir unterstützen die Projekte auch finanziell, an Ostern werden wir die 100 000 Euro-Marke erreichen.“ Das Congohound-Projekt wird zur Verhinderung der Wilderei eingesetzt. Speziell ausgebildete Hunde können Wilderer anhand des Geruchs ausfindig machen, eine zweite Hunderasse ist auf den Geruch von Munition und Gewehren sensibilisiert. Die Wilhelma unterstützt weltweit, etwa in Sumatra oder Belize, verschiedene Artenschutzprojekte. „Zoo endet nicht an den Mauern“, sagt Reska und verrät: „Ab Anfang Juni gibt es eine Sonderedition Wilhelma von ‚Die gute Schokolade‘. Der Erlös aus dem Verkauf wandert in den Artenschutz.“

Zoodirektor Kölpin unterstützt den Artenschutz und die weltweiten Projekte. Gleichzeitig sorgt er mit seinem Team in der Wilhelma dafür, dass die sozialen Strukturen der einzelnen Tierarten dem Leben in freier Wildbahn angepasst werden. „Tiger sind in der Natur Einzelgänger und akzeptieren keine Nebenbuhler im Revier, deshalb lebt auch unser Tiger alleine im Gehege. Und so geht es mit der Parallele zur freien Natur weiter. Bei den Elefanten sei die Familienstruktur besonders wichtig, sagt Kölpin und weiß: „Elefantenbullen werden in ihrem natürlichen Lebensraum, Afrika oder Indien, nach sechs bis acht Jahren aus der Herde geschmissen und wachsen zu Zuchtbullen heran. So wird Inzest in der Elefantenherde vermieden.“ Die Zoos handhaben das ähnlich: Die Elefantenherde - vor allem die, die sich mögen - bleiben im Bestand in den Tierparks und die Bullen gehen meist auf Reisen in andere Zoologische Gärten, um dort wieder für Nachwuchs zu sorgen.

Auch die beiden neu angekommenen asiatischen Löwen, Shapur und Kajal sind in der Wilhelma nur als Zwischenstufe. „Sobald die Löwen geschlechtsreif sind, kommen die beiden entweder in andere Zoos oder es kommen Weibchen dazu“, erklärt Kölpin. Viele Besucher stört die Größe des Löwengeheges, aber der Zoodirektor beschwichtigt: „In der freien Natur hat der Löwe auch nicht ein Riesengebiet, denn verschiedene Rudel markieren ihre Reviere. Und diese Urinmarkierungen sind für Löwen bedrohlichere Grenzen, als ein Zaun oder eine Mauer.“ In der freien Natur bedeutet die Überschreitung einer Markierung oft den Tod. „Auch Tiere haben einen eigenen Mikrokosmos. So ist zum Beispiel für eine frei lebende Maus der erste Schritt aus ihrem Mausloch schon lebensgefährlich und so ist es bei vielen anderen Tieren.“ Deshalb setzt die Wilhelma mehr denn je auf soziale Strukturen. Kölpin erklärt, warum: „Wenn die Struktur stimmt, haben die Tiere eine bessere Situation, als mit der tollsten und größten Anlage.“ Er verdeutlicht dies mit einem menschlichen Thema: „Es bringt niemandem etwas, in der schönsten Villa zu leben, wenn man sich mit den Mitbewohnern nicht versteht.“

Die Wilhelma ist am Europäischen Erhaltungszucht-Programm beteiligt. Das Ziel ist, eine Reservepopulation der verschiedenen Tierarten aufzubauen, „um später die Bestände in der Natur wieder auffüllen zu können“. Da gibt es einen Koordinator, der die passenden männlichen und weiblichen Tiere zusammenführt. „Sein Wort zählt“, schmunzelt Zoodirektor Thomas Kölpin und bekräftigt: „Die Wilhelma will den Besuchern die Tiere der Welt zeigen, aber vor allem die Welt der Tiere erhalten und schützen.“