Andreas Tröster, Leiter der Operativen Fallanalyse beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg.Foto:dpa Quelle: Unbekannt

Von Oliver Schmale

Stuttgart - Auf dem Besprechungstisch im Büro von Andreas Tröster steht eine Glaskugel. Ein Geschenk von seinen früheren Kollegen, als er einst von der Mordkommission zum Landeskriminalamt nach Stuttgart wechselte. Dort baute der 57-jährige Schwabe vor fast zwei Jahrzehnten die Abteilung Operative Fallanalyse (OFA) auf. Er und seine sechs Kollegen werden hinzugezogen, wenn eine Sonderkommission etwa bei der Aufklärung von Tötungs- oder Sexualdelikten nicht mehr weiter weiß oder sich neue Ansatzpunkte erhofft. Mit Hellsehen hat das nichts zu tun. Es ist klar strukturierte Arbeit gefragt.

Die Hinweise von Tröster und seinen Kollegen können manchmal ein wichtiger Mosaikstein bei den Ermittlungen sein. Der Einsatz von Fallanalytikern bei Verbrechen habe sich bewährt, sagt der Chef der Freiburger Kriminalpolizei, Peter Egetemaier. „Der professionelle Blick von außen auf einen Fall hilft“, sagt er. Beamten, die mitten in einer Ermittlung und einem Fall steckten, seien dankbar für eine solche Hilfe. Sie eröffne die Möglichkeit, neu an Fälle und Hinweise heranzugehen - und sei somit eine wichtige Unterstützung.

Viele bezeichnen den Chef der Fallanalytiker einfach als Profiler. Doch diese Arbeit, die im Fernsehkrimi häufig verklärt wird, ist nur ein kleiner Teil von Trösters Tätigkeit. „Es geht um mehr, als um ein Täterprofil zu erstellen.“ Außerdem werde immer im Team gearbeitet, bestehend aus drei bis fünf Personen - alles erfahrene Kriminalisten, die eine mehrjährige Spezialausbildung durchlaufen haben. „Den Einzelkämpfer gibt es nicht.“

Bis zu 30 Anfragen werden pro Jahr an die LKA-Fachleute gerichtet, zwei Drittel davon dann bearbeitet. Denn nicht jeder Fall ist geeignet. So beispielsweise ein Mord, bei dem der Täter die Tür aufmacht, schießt, sich umdreht und dann wieder verschwindet. Da gibt es in der Regel wenig zu analysieren. „Und wenn wir kein Verhalten beurteilen können, ist nichts zu machen“, sagt Tröster. Die LKA-Ermittler arbeiten räumlich getrennt von ihren Kollegen der Sonderkommission vor Ort.

Um sich mit einem neuen Fall vertraut zu machen, ziehen sich die Fachleute zunächst für mehrere Tage in ihren Analyseraum zurück - ein etwas größerer Raum mit Flipcharts, Beamer und Pinnwänden. An einer dieser Wände ist eine Landkarte angebracht. „Wichtig ist, dass die Informationen visualisiert werden.“ In der Ecke des Raums steht eine große Puppe. Mit ihr können Taten nachgestellt werden, berichtet Tröster. Wichtig sei, sich dem Verbrechen so weit wie möglich anzunähern. Auch den Tatort selber schauen sie sich an. Es geht um das Sammeln von Eindrücken: „Wie sieht es da aus, wo kann der Täter hin und wie kann er wieder weg?“

Tröster und seine Kollegen ermitteln aber nicht selber aktiv. „Wir nehmen niemanden fest und machen keine Durchsuchungen oder Vernehmungen.“ Die Fallanalytiker geben aber Hinweise für das weitere Vorgehen ihrer Kollegen: So bei der Vernehmung eines mutmaßlichen Täters. Sie findet normalerweise in einem kahlen Raum statt. „Es kann sich anbieten, ein Tatortfoto aufzuhängen, wenn eine Reaktion vom Verdächtigen erwartet wird.“ Oder es wird zum Beispiel ein Täterprofil erstellt. Dies werde nie direkt zur Haustür führen. Es könne aber helfen, den Täter einzukreisen. Doch die LKA-Spezialisten wissen auch nicht immer Rat. „Es gibt Delikte, die bleiben unklärbar“, sagt der Fallanalytiker.