Projektleiter Steffen Greger an der massiven Stahlbetonwand. Sie muss künftig einem hohen Wasserdruck standhalten. Fotos: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Der Trinkwasserhochbehälter „Kanonenweg“ zwischen dem Urachplatz und der Ameisenbergstraße ist einer der wichtigsten Knotenpunkte im komplexen Stuttgarter Wassernetz. Die denkmalgeschützte Anlage, die die gesamte Innenstadt versorgt, ist jedoch in die Jahre gekommen. Bis Anfang 2018 soll sie durch einen rund 10,5 Millionen Euro teuren Neubau, der wenige Meter unterhalb des bisherigen Bauwerks entsteht, ersetzt werden.

Noch ist kein Wasser in einem der größten „Pools“ der Stadt, die zwei riesigen Kammern, die bis zu 7,5 Millionen Liter fassen werden, sind jedoch schon deutlich zu erkennen. Es ist Halbzeit beim Bau des neuen Hochbehälters, der in den kommenden eineinhalb Jahren geschlossen und noch mit Erde bedeckt wird. Anschließend wird es begrünt und Bäume an den Hangpartien gepflanzt. Um dem gewaltigen Druck, der später einmal von allen Seiten auf den Wänden des Bauwerks lastet, standzuhalten, wurden sie extrem massiv gebaut. Rund 750 Tonnen Stahl und mehr als 3000 Kubikmeter Beton kommen oberhalb der Hausmannstraße zum Einsatz. „An den Stahlbeton stellen wir höchste Anforderungen. Der neue Behälter soll mindestens 100 Jahre halten“, sagt Projektleiter Steffen Greger.

Trinkwasser für 100 000 Einwohner

Für die Netze BW GmbH ist der Neubau derzeit das größte Projekt in der Landeshauptstadt und eine der wichtigsten Investitionen in das Stuttgarter Wassernetz. Kein Wunder: Rund 100 000 Einwohner im Talkessel erhalten ihr Trinkwasser aus dem Behälter im Stuttgarter Osten. Die Zone erstreckt sich von Münster bis nach Obertürkheim sowie in südwestlicher Richtung bis hinter den Österreichischen Platz beziehungsweise zur Schwabstraße. Begünstigt wurden die Arbeiten, die im Juli 2015 begannen und laut Greger im Zeit- und Kostenplan liegen, durch den vergangenen Winter. „Er war sehr mild.“ Drei Kreuze mache er allerdings erst, wenn der 14-tägige Drucktest Ende 2017 bestanden ist, sprich die Wasserkammern dicht sind. „Ein Meilenstein, wenn da etwas nicht passt, wird es schwierig.“ Der Projekteiter, für den vor allem die Hanglage eine große Herausforderung darstellt, ist optimistisch, dass alles gut geht. Sollten die Wände dem Druck standhalten, wird anschließend das Wasser wieder abgelassen und eine mineralische Beschichtung aufgetragen. „Fließen kommen aus hygienischen Gründen nicht mehr zum Einsatz, da sich in den Fugen Keime festsetzen können.“ Wenn es alles nach Plan läuft, könnte der neue Trinkwasserbehälter schon Anfang 2018 ans Netz gehen.

Sowohl die alten als auch die neuen Kammern werden im Normalfall mit Wasser befüllt, das aus einem Tiefbrunnen in Donauried stammt. Sollte das wichtigste Standbein der Landeswasserversorgung ausfallen, werden die Speicher mit Wasser aus dem Bodensee befüllt, das über den Sipplinger Berg nach Stuttgart fließt. In beiden Fällen wird das Wasser von hohen Punkten angeliefert, sodass man komplett ohne Pumpen auskommen kann. Der Druck sei optimal. Er ist sogar so hoch, dass die Netze BW GmbH Turbinen im Einsatz hat, mit denen Strom für den Eigenbedarf gewonnen wird. „Der Höhenunterschied in Stuttgart ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Greger. Der Aufwand, jedes Haus in der Landeshauptstadt zu versorgen, sei deutlich höher als in anderen Metropolen. „Wir haben 44 Hochbehälter, München dagegen nur drei.“

Gezählt sind indes die Tage des alten Wasserspeichers am Kanonenweg. Stuttgarts Trinkwasser hat in den drei unterirdischen Kammern seine Spuren hinterlassen. Die beiden ältesten stammen aus dem Jahr 1881, ihre Wände schillern in vielen verschiedenen Farben, Beton bröckelt ab und an Stahlträgern nagt der Rost. Verschiedene technische Anlagenteile im Turbinenhaus sind altersbedingt nicht mehr richtig funktionsfähig und für die Drei- und Zehn-Kilovolt-Anlage im Maschinenhaus gibt es keine Ersatzteile mehr. Wie verschiedene Gutachten bestätigten, ist die Bausubstanz altersbedingt in einem insgesamt schlechten Zustand. Sie werden nicht als Reserve bereitgehalten, sondern dauerhaft stillgelegt.