Quelle: Unbekannt

Von Bettina Grachtrup

Stuttgart - Im Mordfall der Studentin in Freiburg bringt ein Haar den Ermittlern den Durchbruch. Doch nicht immer endet die Arbeit der Kriminaltechniker des Stuttgarter LKA mit einem Treffer. Und manchmal setzt das Gesetz ihnen Grenzen.

„Opfer-Komplex Mordfall Freiburg“ steht auf der Tür zu einem Untersuchungsraum im Kriminaltechnischen Instituts (KTI) im Landeskriminalamt in Stuttgart. Hier haben Fachleute quasi rund um die Uhr daran gearbeitet, die Spuren nach dem Mord an der 19 Jahre alten Studentin in Freiburg auszuwerten. Ein 18,5 Zentimenter langes schwarzes Haar mit changierender Blondierung in einem Brombeerstrauch führte auf die Spur des mutmaßlichen Täters. Die Polizei nahm vergangene Woche einen Verdächtigen fest, ein DNA-Abgleich wurde genommen. Dann hieß es warten - und es kam ein Treffer. Was fühlt man dann als Ermittler? „Dann löst sich die Anspannung“, erzählt KTI-Leiter Andreas Stenger (53).

Das KTI ist so etwas wie das Herzstück des LKA. Rund 270 Menschen arbeiten hier: Biologen, Chemiker, Physiker, Ingenieure und spezialisierte Polizeibeamte. Rund 35 000 Untersuchungsaufträge erledigen sie jährlich. Bei knapp 600 Einsätzen im Jahr sind die Spezialisten der Kriminaltechnik selbst am Tatort im Einsatz.

„Es ist wichtig, dass man einen umfassenden Tatbefund liefert“, erklärt Stenger. Wenn beispielsweise ein Messer die Tatwaffe bei einem Tötungsdelikt ist, können daran nicht nur Blutspuren sein, sondern auch Hautschuppen des Täters. Das Messer kann sich bei der Tat verformt haben, weil es auf einen harten Widerstand gestoßen ist. „Möglicherweise lag es auch im Freien“, sagt Stenger. Dann können auch botanische Spuren eine Rolle spielen. Dabei müssen die Spezialisten sorgfältig vorgehen: Denn oft sind es kleinste Hinweise, die weiterhelfen können. Sie dürfen andere Spuren nicht zerstören. Stenger: „Akribie und Sorgfalt gehen vor Schnelligkeit.“

Die DNA-Analytik habe die Kriminalistik nahezu revolutioniert, gerät der KTI-Leiter fast ins Schwärmen angesichts der Möglichkeiten, die die Technik den Spezialisten bietet. Es reichten selbst Mikro-Spuren aus, um eine DNA vollständig zu identifizieren. „Wir untersuchen heute Teile von Hautschuppen.“ Das sei zwar sehr aufwendig, aber führe häufig direkt zu einem Tatverdächtigen. Der KTI-Leiter räumt aber ein, dass es gesetzliche Hürden gibt, die den Ermittlern Grenzen setzen. Haut-, Augen- und Haarfarbe dürfen anhand der DNA-Spuren nicht ermittelt werden. Landes-Justizminister Guido Wolf setzt sich für eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ein. Fachmann Stenger würde es jedenfalls begrüßen, wenn sich bei dem Thema etwas bewegt.

So stolz die Kriminaltechniker angesichts der akribischen Arbeit sind, die im Freiburger Fall zum Verdächtigen führte: Es gibt ein Kapitel in der Geschichte des Landeskriminalamtes, das kein Ruhmesblatt ist. Nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn - der inzwischen dem rechtsextremen NSU zugeordnet wird - fanden Kollegen DNA-Spuren, die in dieser Zeit auch an anderen Tatorten auftauchten. Zwei Jahre lang jagten die Ermittler eine unbekannte Frau, deren Gen-Spuren bei mehr als 35 Straftaten gefunden wurden. Dann stellte sich heraus, dass die Gen-Spur beim Verpacken durch die Mitarbeiterin einer Firma auf die sonst sterilen Wattestäbchen der Kripo gelangt war.

Je kleiner die DNA-Spuren seien, desto größer sei das Risiko, dass die Spur verschmutzt sei, erklärt Stenger. Doch seit der Jagd auf das „Phantom“ habe sich viel getan: Systeme zur Qualitätssicherung wurden geschaffen. „Wir haben Regeln für die Spurenhygiene. Wir gehen mit getrennten Teams an Tatorte, um Spurenverschleppungen zu verhindern.“ Kriminaltechniker arbeiteten heute nur noch in Vollschutz-Kleidung. Wie der Leiter des KTI-Fachbereichs Molekulargenetik, Gerhard Bäßler, sagt, werde heute auch genauer auf die Herstellung geachtet. „Wir können jetzt davon ausgehen, dass wir DNA-freie Wattestäbchen haben.“