Bernd Klingler (links) mit seinem Verteidiger Andreas Heinrich gestern vor Gericht. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Der Sprecher der AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, Bernd Klingler, steht seit gestern wegen Untreue vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt. Als einstiger FDP-Fraktionschef soll er in zwei Fällen Gelder aus der Fraktionskasse für private Zwecke entnommen haben. Zu Beginn des Prozesses wies der 48-Jährige die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“

Im August 2015 hatte das Amtsgericht Bad Cannstatt wegen Untreue zum Nachteil der FDP-Fraktion einen Strafbefehl über ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro erlassen. Klingler legte dagegen Einspruch ein - und hat seither der Hauptversammlung entgegengefiebert. Mit einem Lächeln betrat der Stadtrat, der Ende 2014 im Streit aus der FDP ausgetreten und zur AfD im Stuttgarter Gemeinderat gewechselt ist, das Gerichtsgebäude: „Ich fühle mich besser als in den vergangenen acht Monaten.“ Jetzt könne er endlich etwas zur Sache sagen - „bislang wurde ich nicht dazu befragt“.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: Klingler soll zwei Mal hohe Beträge vom FDP-Fraktionskonto abgehoben haben, um eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, heißt es in der Anklageschrift. So habe er am 30. Dezember 2013 eine Online-Überweisung an eine ihm bekannte Marketingagentur über 23 500 Euro veranlasst. Angeblich für den Druck von 80 000 Werbeflyern. Einen Fraktionsbeschluss dafür gab es nicht. Damalige Mitarbeiter der Fraktionsgeschäftsstelle und ein Stadtratskollege gaben gestern vor Gericht an, nichts von einer solchen Aktion gewusst zu haben. Und keiner von ihnen habe das Werbemittel, das Klingler zusammen mit der Schwester der Agenturchefin und deren Ehemann in ausgewählten Stadtteilen in Briefkästen gesteckt haben will, je zu Gesicht bekommen. Verteilerlisten gibt es ebenfalls nicht. Vermutlich, räumte der Vertreter des Rechnungsprüfungsamtes ein, sei diese Aktion rechtlich gar nicht zulässig gewesen.

Die Rechnung für den vermeintlichen Auftrag blieb Klingler der Fraktion lange schuldig, obwohl er von den Mitarbeitern oft darauf angesprochen wurde. „Ich gebe zu, es ist immer wieder mal etwas liegen geblieben, weil ich Tag und Nacht unterwegs war“, sagte der selbstständige Werbefachwirt. Er habe sich mitten im Kommunalwahlkampf befunden. Erst viel später tauchten vier Einzelrechnungen der Marketinggesellschaft auf, mit deren Inhaberin Klingler ein dubioses Geschäftsverhältnis unterhielt. Von dem 23 500-Euro-Auftrag sollte er, respektive die Fraktion, die Hälfte als sogenannte Kick-back-Provision zurückerhalten. „So etwas ist in der Werbebranche durchaus üblich“, behauptete er. Da er der Frau kurz zuvor bereits privat 11 750 Euro in bar geliehen habe, als diese nach Italien umsiedelte, seien im Januar 2014 folglich 23 500 Euro zurückbezahlt worden. Komisch sei allerdings, monierte Richterin Karin Langner, dass die gesamte Summe auf sein Privatkonto floss. Um ein Auto zu erwerben, führte die Staatsanwältin an. Klingler bestritt das: Er habe das Geld für den Kauf des BMW X6 von seinen Eltern geschenkt bekommen.

In dem zweiten Fall geht es um eine Barauszahlung: 12 500 Euro hat Klingler laut Anklage im Juni 2014 aus der Fraktionskasse im Rathaus entnommen. Wie er sagte, aus Sicherheitsgründen: Im Tresor seiner Werbefirma in Weilimdorf sei das Geld sicherer als in der Kassette in einem Schreibtisch in der Fraktionsgeschäftsstelle. Zudem könne er damit flexibel Rechnungen der Fraktion begleichen. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass er diesen Betrag verwendet hat, um nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge für Mitarbeiter seiner Agentur zu begleichen. Von den Forderungen des Zolls hat er seinen damaligen Fraktionsmitarbeitern erzählt - angeblich hat er die Geschichte zum Anlass genommen, deren Loyalität zu testen. Denn die Rathaus-FDP hat sich nach der Kommunalwahl im Mai 2014 von Personal trennen müssen, weil sie nur noch vier statt bis dato sechs Stadträte stellte und ihr damit weniger Geld aus der Stadtkasse für die Fraktionsarbeit zustand.

In dieser Situation hatten sich seine früheren Stadtratskollegen Matthias Oechsner und Sibel Yüksel die Buchhaltung genauer angeschaut - sie seien misstrauisch geworden, weil Klingler um die Finanzen so ein großes Geheimnis gemacht habe. „Wir stießen prompt auf Unregelmäßigkeiten“, sagte Oechsner. Daraufhin wurden das Rechnungsprüfungsamt und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Den Fehlbetrag in der Barkasse habe Klingler, darauf angesprochen, umgehend bar erstattet.

Verboten sei es den Fraktionen zwar nicht, Bargeld im Rathaus aufzubewahren, räumte der Vertreter der Stadt ein. Allerdings seien fünfstellige Beträge völlig unüblich. Klingler argumentierte, es sei sinnvoll gewesen, nicht zu viel Geld auf dem Fraktionskonto zu haben, da die Stadt darauf Einsicht nehmen und einen Teil der nicht verbrauchten Budgetmittel zurückfordern könnte.

Für den Prozess sind insgesamt drei Verhandlungstage mit 15 Zeugen angesetzt. Die Verhandlung geht am 7. Juni weiter.