Ralf Herrtwich (rechts), Leiter Fahrzeugautomatisierung bei Mercedes-Benz, übergibt den Schlüssel für den S 500 an Gerhard Heidbrink, Leiter der Produktarchive von Mercedes-Benz-Classic. Foto: Schütze Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Mit dem S 500 Intelligent Drive hat Mercedes-Benz vor drei Jahren Pionierarbeit in Sachen autonomes Fahren geleistet. Jetzt wurde das Forschungsfahrzeug, das von den Mitarbeitern liebevoll „Bertha“ genannt wird, an das Mercedes-Benz-Museum übergeben, wo es im Atrium zu sehen ist.

Das Thema autonomes Fahren ist in aller Munde. Fahrzeugentwickler finden immer bessere technische Lösungen, wie sich selbstfahrende Autos in Zukunft problemlos durch den Verkehr bewegen können. Ein Forschungsfahrzeug von Mercedes-Benz hat in dieser Hinsicht Pionierarbeit geleistet hat. Der S 500 Intelligent Drive bewältigte im Herbst 2013 auf der 106 Kilometer langen Strecke von Mannheim nach Pforzheim die weltweit erste selbstständige Fahrt durch den ganz normalen Stadt- und Überlandverkehr - und das auf den Spuren der Pionierin Bertha Benz, die auf dieser Route im Jahr 1888 die erste automobile Fernfahrt gewagt hatte.

Ausgestattet mit seriennaher Technik und jeder Menge Rechnerleistung an Bord lieferte das Fahrzeug den Entwicklern wertvolle Erkenntnisse. „Wir haben bei dem Projekt so viel gelernt wie bei kaum einem anderen“, sagt Ralf Herrtwich, Leiter Fahrzeugautomatisierung und Fahrwerksysteme bei Mercedes-Benz. Doch die technische Entwicklung beim autonomen Fahren schreitet rasant voran, und so ist „Bertha“ knapp drei Jahre später schon von der Zukunft überholt worden und reif fürs Museum. Herrtwich übergab das Auto gestern an Gerhard Heidbrink, Leiter der Produktarchive bei Mercedes-Benz-Classic. Bis zum 25. September wird es im Atrium des Mercedes-Benz-Museums zu sehen sein, danach soll es in die Ausstellung integriert werden. Wie genau, ist derzeit noch offen.

Offen sind ebenfalls noch viele technische Fragen, die die Fahrzeugentwickler auf dem Weg zum autonomen Fahren beantworten müssen. So hat sich laut Herrtwich unter anderem gezeigt, dass Kreisverkehre eine größere Herausforderung darstellen als gedacht. Teilweise agierte „Bertha“ bei der Einfahrt in einen Kreisel derart zögerlich, dass andere Autofahrer entnervt hupten. Auch Kreuzungen mit vielen Ampeln stellen das System noch vor Probleme, besonders bei Gegenlicht. „Da befinden wir uns gerade am technischen Rand der Erfassungsleistung aktueller Sensoren“, sagt Herrtwich.

Noch kann sich der Fahrer also während der Fahrt nicht komplett zurücklehnen, doch die Fachleute kommen ihren Zielen Schritt für Schritt näher. Beispielsweise bei der noch exakteren Umwelterkennung durch sogenannte Deep-Learning-Computer. „Wir wollen dem System beibringen, seine Umgebung zu strukturieren“, erklärt Herrtwich. Das Fahrzeug soll in der Lage sein, typische Straßenszenen einer Stadt zu interpretieren und Autos, Fahrradfahrer, Fußgänger, Straßen, Gebäude und Verkehrsschilder automatisch zu klassifizieren. Für die Zukunft schweben den Mercedes-Benz-Entwicklern sogar komplett fahrerlose Fahrzeuge vor, sogenannte Robocars. Diese könnten beispielsweise beim Carsharing genutzt werden. Die Autos würden nach einer Bestellung per Handy selbstständig zum Kunden fahren. Nach der Nutzung lässt der Kunde das Robocar einfach am Straßenrand stehen und dieses sucht sich eigenständig einen Parkplatz. Für die Entwickler ein durchaus realistisches Szenario.