Von Edgar Rehberger

Vor eineinhalb Jahren startete die Drogenberatungsstelle Release das Präventionsprojekt Take für Menschen, die das Angebot des Stuttgarter Nachtlebens wahrnehmen, inklusive dem Sammeln von Erfahrungen mit Freizeitdrogen. Problematischen Konsummustern soll vorgebeugt, Gesundheitsschäden vermieden werden. Die Halbzeitbilanz fällt positiv aus: „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Release-Geschäftsführer Ulrich Binder.

Bei Veranstaltungen und Events, auf denen elektronische Musik gespielt wird, sind die so genannten Partydrogen nicht weit. Pillen mit Namen wie „Super Mario“, „Smiley“ oder „Tomorrowland“ werden eingeworfen, um sich intensiv dem Tanzvergnügen hinzugeben. Während bei Medikamenten lange Beipackzettel auf mögliche Nebenwirkungen und Gefahren hinweisen, werden die Partydrogen meist ohne zu hinterfragen eingenommen - mit teilweise drastischen Folgen.

Um das Risiko zu reduzieren, rief Release das Präventionsprojekt Take ins Leben. Es ist auf drei Jahre angelegt. Das Besondere am Projekt: Es sucht die Partyszene mit einem mobilen Stand vor Ort auf und vermittelt in der Lebenswelt der Konsumenten sachliche Informationen. Damit soll eine Risikoreduzierung erreicht werden. Am Infostand gibt es Substanzinformationen, Pillenwarnungen von so genannten Drugchecking-Ergebnissen und Safer-Use-Materialien.

Dabei gehen die Sozialarbeiter nicht aktiv auf die Partybesucher zu, sondern warten, bis der optisch ansprechende Stand aufgesucht wird. „Wir empfinden uns als Gäste“, sagt Philipp Weber vom Projekt Take. „Die Besucher wollen nicht um 3 Uhr morgens von Sozialarbeitern zugetextet werden.“ Daher kommen die Peers ins Spiel. Das sind Szenekenner, die speziell geschult sind. „Sie haben einen anderen Zugang, liefern Impulse von außen“, ergänzt seine Kollegin Nicole Benz. Acht Peers wurden geschult, weitere sollen im September folgen. Sie beraten am Stand die Konsumenten, die unterschiedlichste Fragen stellen. Ab wann gelte ich als süchtig? Welche Nebenwirkungen haben die Pillen? Welche sind gefährlich? Wie komme ich weg vom Kokain?

Bislang war das Projekt bei 17 elektronischen Musikveranstaltungen im Einsatz. Dabei wurden 4100 Kontakte geknüpft und 770 Beratungen durchgeführt. Hinterfragt wurde auch das eigene Konsummuster. „Das Projekt wird von der Zielgruppe sehr gut akzeptiert“, fasst Weber die ersten Ergebnisse zusammen. 75 Prozent der erreichten Personen hatten bislang noch keinen Kontakt zum Suchthilfesystem. Zudem wurde eine eigene Homepage (www.take-stuttgart.de) ins Leben gerufen und eine Facebook-Seite erstellt.

Robin ist einer der acht Peers. Der 23-Jährige ist häufig in der Elektro-Musikszene unterwegs und kennt Leute, die Partydrogen konsumieren. „Sie wissen nicht, was sie da einnehmen und wie schädlich es ist.“ Jule ist seit vier Jahren als Veranstalterin aktiv. „Der Rausch gehört für viele Menschen zum Leben“, hat sie dabei festgestellt. Als sie mitbekommen hat, dass es in Stuttgart das Präventionsprojekt gibt, war sie sofort dabei. „Es ist ganz wichtig, Infos vor Ort bereitzustellen.“

Das Projekt ist für drei Jahre finanziert. Sieben Förderer wie das Ministerium für Soziales und Integration, die Diakonie Württemberg, die Stiftung Landesbank Baden-Württemberg und der Verein Frauen helfen Frauen unterstützen das Projekt. Die Bereitschaft weiterzumachen, liegt von einigen vor. Dieter Hauswirth vom Stiftungsvorstand der Lechler Stiftung sicherte weitere Hilfe zu. Auch Tobias Burchard vom Studierendenwerk hält viel von Take. „Wir beraten 64 000 Studierende. Mehr als 7000 leben in Wohnanlagen, in denen natürlich auch gefeiert wird.“