(red) - Bürgermeister Werner Wölfle weiht am Montag, 7. März, um 16 Uhr die bisher namenlose Treppenverbindung zwischen Werastraße 136 und Landhausstraße 84 als Else-Kienle-Staffel ein. Die Anregung zur Namensgebung wurde von einer Bürgerin an den Bezirksbeirat Ost herangetragen. Die Frauenforscherin Mascha Riepl-Schmidt würdigt Else Kienle.

Die Ärztin Else Kienle lebte und arbeitete von 1923 bis 1932 in Stuttgart. Sie wurde am 26. Februar 1900 in Heidenheim geboren. Sie studierte unter anderem in Tübingen. Als sie 1923 in Heidelberg promovierte, war sie eine der ersten weiblichen Ärzte in Deutschland. Nach einer Anstellung im Katharinenhospital eröffnete sie 1928 eine eigene Praxis für Haut- und Harnleiden, Beinleiden und Kosmetik in der Marienstraße 25.

Seit 1926 gab es in Deutschland bereits eine medizinische Indikation für Schwangerschaftsabbrüche, die aber von vielen Ärzten nicht umgesetzt wurde. Eine soziale Indikation gab es trotz der großen Not in vielen Familien nicht. Aufklärung und Verhütung waren offiziell nicht erlaubt. Dennoch versuchte Else Kienle mit ihrem jüdischen Kollegen Dr. Friedrich Wolf in Vorträgen und Beratungsstellen zu informieren. In ihrer Praxis nahm sie auch ambulante Schwangerschaftsabbrüche vor, um notleidenden Patientinnen zu helfen und sie vor „Kurpfuschern“ zu bewahren. Mitte Februar 1931 wurden Kienle und ihr Kollege in Untersuchungshaft genommen. Während Wolf bald gegen Kaution frei kam, wurde Else Kienle erst nach fünf Wochen und einem Hungerstreik entlassen. Ihr Prozess verlief im Sand. Nach ihrer Freilassung ging sie nach Frankfurt, um dort eine neue Praxis zu eröffnen. Sie engagierte sie sich weiter im Kampf gegen den Abtreibungsparagrafen. 1932 gelang es ihr, der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen und nach New York zu emigrieren. Dort praktizierte und lebte sie bis zum ihrem Tod am 19. Juli 1970.