Damit die Besucher den Pionierstollen 22-87 in Mühlhausen besichtigen können, musste in diesem zunächst das Wasser abgepumpt werden. Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Bequemes Schuhwerk, luftige Kleidung, Fotoapparat und angesichts der Temperaturen ausreichend Flüssigkeit im Rucksack - so begaben sich gestern zahlreiche Besucher zum Tag des offenen Denkmals. In Stuttgart öffneten mehr als 40 Stätten, Einrichtungen und Denkmäler ihre Türen - darunter zahlreiche fast vergessene und versteckte Orte. Auch in den Neckarvororten gab es einiges zu besichtigen.

Exponat auf Gummirädern: Als „Oldie“ oder „Kulturgut“ möchte sicherlich nicht jeder 55-Jährige bezeichnet werden - auf den neuen beziehungsweise alten Museumsbus im Bestand der Straßenbahnwelt trifft diese Bezeichnung jedoch zu. Viele Jahre stand das Fahrzeug ungenutzt im Österreichischen Omnisbusmuseum herum, bis dort die Entscheidung fiel, sich von allen „Ausländern“ zu trennen. Die SSB AG ließ sich das Angebot nicht entgehen und schlug zu. Das frisch aufgearbeitete Modell 0 137 in der Überlandversion kommt auf eine Länge von zwölf Metern, weist 172 PS auf und bietet Platz für 47 Personen. Lediglich vier Modelle der Baureihe existieren noch, weiß Busfahrer Udo Becker, der an diesem Sonntag die Besucher auf eine „Spritztour“ in Richtung Kursaal mitnimmt. Eines hat er zuvor wohlwissend mit einem Schloss versperrt: den Verbandskasten aus dem Jahr 1951, der sich gleich neben dem Einstieg befindet. „Mit drei verfallenen Spalt-Tabletten und alten Mullbinden wird bei uns keiner verarztet.“

Hoch hinauf: Der Tag des offenen Denkmals fordert nicht selten viel Geduld und Stehvermögen von den Teilnehmern ab. Und so wurde vor dem Daimlerturm im Kurpark die Schlange immer länger, je später der Nachmittag wurde. Dort führte der Verein Pro Alt-Cannstatt die Besucher auf die Aussichtsplattform in 15 Metern Höhe - erstmals übrigens seit sechs Jahren wieder. „1894 wurde der Turm aus Cannstatter Travertin gebaut“, berichtete Historiker Olaf Schulze. „Die Wandmalereien in den vier Etagen basierten auf Entwürfen Gottlieb Daimlers.“ Zu sehen gibt es unter anderem einen Blick auf dessen Geburtsstätte Schorndorf, ein Boot mit aufgeblähten Segeln, den Handelsgott Merkur, eine geflügelte Sanduhr und ein Rad, das für den Fortschritt steht. Aber natürlich betrieb der clevere Erfinder auch Produktmarketing in eigener Sache: Abgebildet ist unter anderem der Daimler-Riemenwagen - so wie dieser auch in den Prospekten seiner Zeit dargestellt worden war.

Helmpflicht im Fluchtstollen: Geschichte ist nur etwas für Ältere? Mitnichten. Das zeigt das große Interesse, auf das der Pionierstollen mit Nummer 22-87 in Mühlhausen an diesem Tag stößt. In die Anlage unter der früheren Engelsburg zieht es besonders Familien und jüngere Besucher. Bis der Abstecher unter Tage möglich war, musste indes viel Wasser abgepumpt werden. „Der Schutzstollen ist deshalb nur selten zu besichtigen“, so Rolf Zielfleisch vom Verein Schutzbauten Stuttgart. Der erste Teil entstand nach den heftigen Bombenangriffen vom April 1943 und wurde im Steinbruch der Baufirma Haisch angelegt - allerdings ausschließlich gedacht für Betriebs- und Familienangehörige. Einen sich daran anschließenden Abschnitt ließ das NS-Regime anlegen, der dritte Teil wurde von der Firma Bosch als unterirdische Produktionsstätte gebaut - damals unter dem Tarnnamen „Fahlerz“.