Quelle: Unbekannt

Friederike Weltzien Krankenhauspfarramt Bad Cannstatt

Wir sitzen im Kreis, draußen auf der Wiese, vor dem Luthersaal unserer Andreaskirche in Obertürkheim. Es ist ein großer Kreis von Menschen. Wir sind alle „Ehrenamtliche“, die da zusammengekommen sind. Wir tauschen uns aus, was wir in den letzten Wochen erlebt haben in den verschiedenen Flüchtlingsunterkünften in Hedelfingen, Wangen, Rohracker und Obertürkheim. Von Grillfesten und dem Deutschunterricht, vom Ausflug in die Wilhelma und ins Theaterhaus, vom Willkommens Café und was in der Kleiderausgabe so los war.

Und dann erzählt einer von der Abschiebung, die er miterlebt hat im Mai. Rechtlich vereinbar mit dem neuen Asylgesetz II. So ein Gesetz liest sich dann sehr anders, wenn man es mit Menschenschicksalen verknüpft. Mit den Mädchen, die sich so gut eingelebt hatten, und in der Schule anerkannt und beliebt waren, und mit den Großeltern, die die Fürsorge für ihre kleinen Enkelkinder übernommen hatten und dann im Polizeiwagen verschwanden. Betroffenheit breitet sich aus in unserer Runde.

Dann kommen die ersten Besucher. Es ist kurz vor 21 Uhr, wir haben die Flüchtlinge aus den Turnhallen zum Iftar (Das Essen am Ende eines Fastentages im Ramadan) eingeladen. Die Ersten sind die Kinder auf ihren Fahrrädchen, sie fahren den Eltern voraus, und dann kommen immer mehr, immer mehr. Die Tische sind gedeckt, drei lange Tischreihen durch den ganzen Saal. Aber die Plätze reichen nicht, die Stühle reichen nicht, schnell wird Nachschub geholt, die Wasserkannen müssen noch auf die Tische verteilt werden und schon ertönt aus dem Handy der Ruf des Beters, der das Ende dieses Fastentages ankündigt.

Ein Schluck Wasser und eine Dattel eröffnen das Essen. Zwei syrische Freunde haben den ganzen Tag in der Küche gestanden, ohne probieren zu können, weil sie selber fasten, haben sie ein Festessen gekocht. Und jetzt ist kein Halten mehr, schnell, schnell, werden die Suppenteller gefüllt, der Reis mit Nüssen und Hackfleisch ausgegeben, der leckere Salat und Zaziki stehen auf den Tischen verteilt. Langsam beruhigt sich die Atmosphäre und die Freunde aus den Freundeskreisen und die Flüchtlinge aus aller Herren Länder stillen ihren Hunger.

Beim Nachtisch kommen die Gespräche in Gang: „Wie feiert ihr den Ramadan“ „Geht ihr in die Moschee?“ Lieblingsverse aus dem Koran werden ausgetauscht. „Das ist der Dialog der Zivilisationen“ sagt mir ein Besucher strahlend und ein anderer meint, „Der Dialog der Religionen, wir sind Gäste in einer Kirche!“ und der Dritte sagt: „Das ist der Dialog des Lebens!“ Danach stehen wir alle gemeinsam in der Küche und spülen das dreckige Geschirr.