Kandidaten der Linken: Bernd Riexinger (l.) und Hannes Rockenbauch. Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Eigentlich funktionieren Landtagswahlen denkbar einfach: Jeder Wahlberechtigte kann am 13. März eine Stimme für den Kandidaten einer Partei abgeben. Der Bewerber, der im Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, hat das Direktmandat gewonnen. Der Landeshauptstadt, die in vier Wahlkreise aufgeteilt ist, sind demnach vier Abgeordnete sicher. Und dennoch könnte Stuttgart noch mehr Vertreter im Landesparlament stellen. Denn in ganz Baden-Württemberg gibt es insgesamt nur 70 Wahlkreise. Aufgrund der Mindestgröße des Landtags von 120 Abgeordneten werden nach Verhältniswahlgrundsätzen daher mindestens 50 weitere sogenannte Ausgleichsmandate als Zweitmandate vergeben - und zwar nach einem sehr komplexen Berechnungsverfahren. Auf diese Weise konnten 2011 insgesamt 138 Abgeordnete ins Parlament einziehen.

Vereinfacht gesagt, bekommt der Stuttgarter Bewerber, der im Regierungsbezirk das beste Ergebnis seiner Partei eingefahren hat, ein Zweitmandat - sofern diese Partei die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen hat. 28 Zweitmandate gingen so vor fünf Jahren an Kandidaten im Regierungspräsidium Stuttgart, als einziger Stuttgarter konnte der Grünen-Politiker Franz Untersteller von dieser Regelung profitieren. 2001 und 2006 gab es drei Zweitmandate für die Landeshauptstadt.

Und so rechnete sich der eine oder andere, vermeintlich chancenlose Kandidat durchaus Chancen bei dieser Wahl aus. Allen voran die Bewerber der Alternative für Deutschland (AfD). Prognosen zufolge ist die rechtspopulistische Partei mit 11 bis 13 Prozent Stimmenanteil sicher im Parlament. Die Linken hingegen könnten den Sprung in den Landtag wieder einmal verpassen - laut Umfragen liegen sie bei etwa drei Prozent. Das würde dem Ergebnis der letzten Landtagswahl entsprechen.

Kein Wunder also, das Parteichef Bernd Riexinger kräftig die Werbetrommel schlägt, um die Trendwende einzuleiten. Für den Spitzenkandidaten der Linken im Land, der im Neckarwahlkreis (Stuttgart IV) antritt, geht es nicht nur um ein gutes Parteienergebnis, sondern auch um ein persönliches: Die Linken erzielten vor fünf Jahren mit 4,0 Prozent im Neckarwahlkreis ihr bestes Stuttgarter Ergebnis, es war nach Aalen (4,5 Prozent) gar das zweitbeste im Regierungsbezirk. Die Ausgangsposition wäre also gar nicht so schlecht für den Bundesvorsitzenden der Partei - wenn denn die Linke im Land fünf Prozent Stimmenanteil schaffen sollte. Derzeit scheint das angestrebte Ziel eher unrealistisch. Riexinger gibt sich trotzdem zuversichtlich: „Noch ist alles drin“. Er wirbt unerlässlich für sich, als früherer Verdi-Funktionär ist der 60-Jährige Aktionen auf der Straße gewohnt. Mit dem SÖS-Stadtrat und Stuttgart-21-Aktivisten Hannes Rockenbauch haben die Linken noch ein weiteres „Schwergewicht“ ins Rennen um die Wählergunst geschickt. Der 35-jährige Ingenieur tritt im Innenstadt-Wahlkreis (Stuttgart I) an - dort, wo das Bahnhofsprojekt die Menschen noch immer umtreibt. Im Landtag möchte er als Parteiloser die Linke vertreten. Einen Widerspruch sieht er darin nicht: „Wir brauchen eine starke soziale und ökologische Bewegung.“

Am rechten Rand buhlt die AfD um Stimmen. Ihr politischer Einfluss ist in den vergangenen Monaten gestiegen: Bei den Kommunalwahlen 2014 errang die Partei 4,7 Prozent der Stimmen, was ihr drei Sitze im Gemeinderat einbrachte. Seit dem Wechsel von Ex-FDP-Stadtrat Bernd Klingler zur AfD hat sie nunmehr Fraktionsstärke. Und die Flüchtlingskrise treibt ihre Umfragewerte explosionsartig nach oben. Die Kandidaten wollen vom Stimmungstrend profitieren - auch wenn sie selbst höchst umstritten sind. Zwei von ihnen wird nachgesagt, einen ausgeprägten Hang zum Populismus zu haben. Der eine: Bernd Klingler. Der selbstständige Werbefachmann tritt in seinem Heimatbezirk Stuttgart Nord (Wahlkreis III) an - ungeachtet eines laufenden Ermittlungsverfahrens gegen ihn. Dem langjährigen FDP-Fraktionsvorsitzenden wird Veruntreuung von Fraktionsgeldern vorgeworfen, voraussichtlich im April soll sich der 48-Jährige deshalb vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt verantworten. Damit ist er nicht der einzige Stuttgarter AfD-Kandidat, der in Konflikt mit der Justiz gekommen ist: Auch gegen den 61-jährigen Rechtsanwalt Eberhard Brett (Wahlkreis IV), der 37 Jahre Mitglied der CDU war und vor drei Jahren der AfD beitrat, läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Es geht um einen Rechtsstreit mit einem ehemaligen Geschäftspartner. Beide sind der festen Überzeugung, dass die Verfahren eingestellt werden.