Blagoy Filipov spielte im Kursaal auf dem Steinway-Flügel, den glückliche Umstände aus der Liederhalle nach Bad Cannstatt gebracht haben. Foto: Wenzel Quelle: Unbekannt

Von Rolf Wenzel

Mit Franz Schuberts Sonate c-moll D 958 begann am Sonntag Blagoy Filipov seinen Klavierabend im Großen Kursaal und eröffnete damit ein neues Kapitel der Sonntagskonzerte von „Cultur in Cannstatt“. Der bulgarische Pianist, der seit Jahren in Stuttgart lebt, durfte auf einem Steinway- Flügel aus der Liederhalle spielen, den glückliche Umstände dem Cannstatter Kursaal gerade auf Dauer beschert haben.

Nach Meisterkursen in der Londoner Steinway Hall und zahlreichen Konzerten auf diesen Instrumenten ist der international erfolgreiche Künstler im Umgang mit solchen exquisiten Konzertflügeln schon reichlich erfahren. Doch er erkannte schnell: „Das Cannstatter Instrument „ist schwieriger zu spielen als die neueren Modelle“. Filipov nahm die Herausforderung an und glich die technischen Ermüdungserscheinungen aus, indem er mit Präzision, Temperament und Hingabe spielte.

Damit gelang Filipov schon gleich eine wundervolle Interpretation von Schuberts drittletzter Sonate mit ihren wirbelnden Gefühlsausbrüchen, die der Pianist mit meisterlicher Selbstverständlichkeit und angehobenen Augenbrauen verband mit reiner Klangschönheit und der elegischen Vorahnung der Endlichkeit. Mit virtuoser Fingerfertigkeit ließ der Künstler die fröhliche Beschwingtheit, sich steigern, zu dramatischer Eile und in feierlicher Besinnung ausklingen. So schuf er mit leichter Hand ein eindringliches Erlebnis für Ohr, Gemüt und Seele. Mit leidenschaftlichem Schwung ging Filipov anschließend Frédéric Chopins Scherzo Nr. 2b-Moll op.31 an, hämmerte stupende Klangeruptionen aus dem mächtigen Instrument heraus, ließ dunkel-geheimnisvolle Töne folgen und sich zu rasanten Läufen steigern. Am Ende dieses mitreißenden Spiels entließ der virtuose Künstler mit entspanntem Lächeln sein noch ganz benommenes Publikum zur erfrischenden Pause in den sommerlichen Brunnenhof.

Passend dazu setzte Filipov sein Konzert danach mit den Mittelstücken aus Peter Tschaikowskys „Jahreszeiten“ fort. Urlaubselig ließ er die Juni-Barkarole durch den Raum gleiten, mit großem Schwung und kleinen Trippelschritten folgte das Juli-„Lied der Schnitter“, bis im August die „Ernte“ dramatisch eingefahren wurde und besinnlich ausklang. Höchst theatralisch endete das vierteilige Konzert mit Igor Strawinskys Originalmusik zum Ballett „Pétrouchka“. Als gewiefter Moderator führte vorher Manfred Elser die Gäste von „Cultur in Cannstatt“ und „Pro Alt-Cannstatt“ in die bunte Jahrmarktswelt der Petersburger Butterwochen des Jahres 1921 ein, damit sie das folgende musikalische Spektakel in seiner Vielfalt auch richtig genießen, die Vielfalt der Tonskizzen erkennen und sich an dem quirligen Fingerzauber des Pianisten ergötzen konnten. Das begeisterte Publikum entließ den virtuosen Pianisten erst, als er mit der zweiten Zugabe und der expressiven Melodik Sergej Rachmaninovs dem Abend ein ausschwingendes Ende setzte.

Am Sonntag, 23. Oktober, darf der polnische Pianist Jakub Kuszlik um 18 Uhr beim nächsten Sonntagskonzert den Steinway-Flügel im Kursaal ausprobieren.