Camerata nova und Organist Andreas Dewar in Liebfrauen mit Kathedral-Musik der Extraklasse. Foto: Wilk Quelle: Unbekannt

(nk) - Man hätte jede Stecknadel gehört, die gefallen wäre. Während des gesamten Konzerts des württembergischen jungen Kammerchors camerata nova, kürzlich in der Liebfrauenkirche, herrschte absolute Stille im vollbesetzten Kirchenschiff. Denn das kundige Publikum wusste zu schätzen, was das 33-köpfige Ensemble unter der Leitung des Winnender Kirchenmusikers Peter Kranefoed vortrug: feinste anglikanische Kirchenmusik in bester Tradition der weltberühmten, englischen „cathedral music“.

Im Rahmen der „hora caecilia“ in der Cannstatter Liebfrauenkirche sang camerata nova unter dem Titel „Ye Choirs of New Jerusalem“ zehn englische Choräle, die in der Zeit der Hochromantik Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in England entstanden waren. Und als sei das nicht musikalischer Genuss genug, gab es an diesem Abend in Bad Cannstatt gleich einen zweiten musikalischen Leckerbissen: Der englische Star-Organist Andrew Dewar, der in Fachkreisen als einer der besten Gegenwarts-Organisten gehandelt wird und eigens für das Konzert von Paris nach Stuttgart gekommen war, trat nicht nur als Begleiter des Chors an der Orgel sondern auch dreimal als Solist auf. Dass Ulrich Hafner, Kirchenmusiker in Liebfrauen und künstlerischer Leiter der Kirchenmusik-Reihe „hora caecilia“, ausgerechnet Peter Kranefoed und camerata nova für das Konzert in Liebfrauen gewann, war kein Zufall. Denn das Kirchenschiff in der Wildunger Straße und die schöne Walcker-Orgel eignen sich hervorragend für die anglikanische Kirchenmusik, die in England in den Kathedralen auf eine lange, glorreiche Tradition zurückblickt. Dies hatte Peter Kranefoed bereits im Juni mit einem Orgelkonzert bewiesen, als er ebenfalls Werke der englischen Meister des 19. und 20. Jahrhunderts vorgetragen hatte. Schon damals schwärmte Kranefoed von der Kirche für die „cathedral music“: „Orgel und Kirchenschiff von Liebfrauen haben dafür die perfekte Akustik.“

Dass diese Einschätzung stimmt, bewiesen camerata nova und Andrew Dewar bei ihrem Konzert. Das Publikum freute sich an „Ye Choirs of New Jerusalem“, „Justorum Animae“ und „The Lord Is My Shepherd“ von Charles Villiers Stanford, „For all the Saints“ von Ralph Vaughan Williams und „Evening Hymn“ von Henry Balfour Gardiner. Es genoss Edward Bairstows „Let all mortal flesh keep silence” und „I sat down under his Shadow” in A cappella und sein „Allegro giocoso” für Orgel. Das Vokalensemble camerata nova bestach mit einer hohen stimmlichen Präzision, einer feinen Abstimmung der einzelnen Stimmlagen, einer hohen gesanglichen Präsenz und auch bei den doppelchörig gesungenen Werken mit einem voluminösen Klangkörper. Die perfekte Ergänzung dazu lieferte Andrew Dewar an der Orgel, der in seinen Soli sowohl Laien wie Musikkennern nichts in Punkto Präzision, Variabilität und Feingefühl schuldig blieb.

Nach rund 80 Minuten englischer Kathedral-Musik der Extraklasse war das Konzert zu Ende - viel schneller, als es sich die Besucher gewünscht hatten. Dann, nach dem letzten, perfekt gesungenen Ton, löste sich die eineinhalbstündige Stecknadelstille im tosenden Applaus und Standing Ovations auf.

Das nächste Konzert im Rahmen der Kirchenmusik-Reihe „hora caecilia“ in der Liebfrauenkirche, Wildunger Straße 55, findet am Sonntag, 27. November, um 17 Uhr statt. Dann wartet das Backnanger Vocalconsort unter der Leitung von Reiner Schulte unter dem Titel „Als tiefes Schweigen“ in einem adventlichen Konzert mit Werken von Johannes Brahms, Anton Bruckner, Max Reger und dem litauischen Komponisten Vytautas Miskinis auf. Das Ensemble wird dann begleitet vom ungarischen Organisten Antal Váradi.