Kartoffelernte auf dem Schmidener Feld im Jahr 1942: Noch weit bis in die 1970er-Jahre hinein war die Ernte eine mühevolle Angelegenheit. Foto: Privatbesitz Hans Kauffmann Quelle: Unbekannt

Fellbach (red) - Als ein Fellbächer einst vor der Heirat stand, hatte er eine dringende Bitte an seine Zukünftige. In den ersten Ehejahren sollten keine Kartoffeln auf den Tisch kommen. Denn die hatte er in seiner Kindheit und Jugend mittags und abends serviert bekommen. Die Kartoffel war eben auch im Schwabenland ein ebenso nährstoffreicher wie kostengünstiger Sattmacher. An diese Anekdote erinnerte sich Ursula Teutrine, Leiterin des Fellbacher Stadtmuseums, bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Die Kartoffel. Geschichte und Geschichten“. Der erwähnte Fellbächer gehört zu den Leihgebern der Ausstellung, die einen weiten Bogen schlägt vom Hochland der Anden auf die Äcker um Fellbach.

Im Inka-Reich hat die Kartoffel ihren Ursprung und war dort Haupternährungsmittel. Die Bedeutung zeigt sich auch daran, dass die Garzeit für einen Topf Kartoffeln die Grundeinheit für die Zeit war, berichtete Teutrine. Auch verehrten die Inka eine Kartoffelgottheit Axomana. Die Ausstellung, die eine Fülle bemerkenswerter Exponate präsentiert, zeigt Kultgefäße der Inka ebenso wie Gerätschaften zur Bestellung der Felder.

Mühsame Handarbeit war bis in die 1970er Jahre auch die Kartoffelernte auf den meist kleinen Äckern der Fellbacher Bauern. Und die Ernte war Angelegenheit der ganzen Familie. Schulkinder bekamen in der Nachkriegszeit dafür extra „Kartoffelferien“. Gerätschaften, Kartoffelkörbe und Kartoffelsäcke, vor allem aber alte Fotos aus Familienbesitz zeigen dies eindrucksvoll. Die Fotos haben die Museumsleiterin überrascht: „Dass man sich bei der harten Arbeit auch noch zum Fotografieren aufstellte!“

Mit den Seefahrern der Eroberungsfeldzüge kam die Kartoffel nach Europa. Sie schätzten die gut lagerfähige Knolle als Proviant. Auf dem alten Kontinent wusste man mit dem Nachtschattengewächs freilich wenig anzufangen. Dass man von einer Pflanze die gekochte Knolle essen sollte, lag außerhalb der Vorstellungskraft. So kam, wie die Ausstellung zeigt, die Kartoffel zunächst als Zierpflanze in Adelsgärten. Marie Antoinette schmückte mit ihren Blüten ihr Haar. Die Legende will es, dass Friedrich II. der Kartoffel in deutschen Landen zum Durchbruch verhalf. Er befahl den Bauern, sie anzupflanzen und als alle „Kartoffelbefehle“ nichts halfen, griff er zu Tricks, um seine Bauern von der Kartoffel zu überzeugen. Der Preußenkönig hatte einfach das Potenzial der tollen Knolle erkannt, so die Museumsleiterin. Doch eigentlich verdanke sie ihren Durchbruch Kriegen und Hungersnöten. Sie konnte von Heeren als Proviant mitgeführt werden, in Zeiten von Missernten gedieh die widerstandsfähige Kartoffel noch und sie brachte ohnehin einen höheren Ernteertrag als Getreide. Ihren eigentlichen Siegeszug trat die Kartoffel dann im Zuge der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts an, als sie zur Versorgung einer wachsenden städtischen Bevölkerung gebraucht wurde. Auch vom Schmidener Feld wurde sie ins rasch expandierende Stuttgart geliefert.

Der kleine Sonderausstellungsraum im Fellbacher Stadtmuseum ist insbesondere dem Jahr 1816 gewidmet. Der große Vulkanausbruch des Tambora auf einer indonesischen Insel im Jahr 1815 hatte weltweit dramatische Folgen für das Klima. Auch Württemberg erlebte ein „Jahr ohne Sommer“, in dem sogar im Juli Schnee fiel. Die Folgen waren nie erlebte Missernten und eine Hungersnot. Dem Elend entzogen sich viele Württemberger durch Auswanderung nach Russland und in die USA. Die Namen von 31 Familien aus Fellbach, Schmiden und Oeffingen hat Ursula Teutrine ausfindig machen können, die mit Erlaubnis des Königs das Land verließen. Aber die Hungerjahre hatten auch andere Folgen. Es wurde in Hohenheim eine landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsanstalt ins Leben gerufen. Und es wurde ein Landwirtschaftlicher Verein gegründet, der 1818 erstmals sein Hauptfest in Cannstatt feierte. Auch an den Ursprung des Cannstatter Volksfestes erinnert die Fellbacher Ausstellung.

Geschichte und Geschichten rund um die Kartoffel präsentiert das Stadtmuseum bis Mitte Oktober. Museumsleiterin Ursula Teutrine hat begleitend zur Ausstellung auch ein Rezeptbuch zusammengestellt. Fellbacherinnen und Fellbacher wurden gebeten, ihre Lieblingskartoffelrezepte einzusenden. So kam ein 50-seitiges, reich bebildertes Buch mit Rezepten aus aller Welt zusammen. Denn die Kartoffel ist weltweit ein Star in der Küche. In Japan schätzt man sie ebenso wie im Iran, in der Türkei ebenso wie in Brasilien. Das Rezeptbuch ist für 9,80 Euro im Stadtmuseum erhältlich und hat sich schon in den ersten Tagen als Verkaufsschlager erwiesen. Schon jetzt ist eine zweite Auflage in Vorbereitung.