Egal ob Pyramide, Herz oder Katzenfigur: Für jedes Tier gibt es die passende Urne. Wenn es darum geht, wo Maus, Katze und Hund ihre letzte Ruhestätte finden, berät Tierbestatter Gerhard Bisco die menschlichen Hinterbliebenen. Foto: Beier  Quelle: Unbekannt

Gerhard Bisco ist Tierbestatter – und muss mitunter auch bei Männern Tränen trocknen

Fellbach – Am Morgen weckte sie ihre Familie dadurch, dass sie erst an den großen Zehen schleckte und dann ein langes klagendes Maunzen ausstieß, das so viel heißen sollte wie „Ich habe Hunger, Zeit für euch aufzustehen.“ Nachdem der letzte Würfel Katzenfutter verschwunden war, verschwand auch sie durch die Katzenklappe raus ins Freie. Am Abend strich sie allen um die Beine und rieb ihren Kopf an Füßen und Schienbeinen, bis auch sie Streicheleinheiten bekam. Zwölf Jahre lang war Minka ein Teil ihrer Familie.

Von Nathalie Beier

Wer das Tierbestattungsunternehmen „Die letzte Reise“ von Gerhard Bisco betritt, hat gerade erst ein geliebtes Haustier verloren und eine Geschichte auf dem Herzen, die er erzählen will. Auch an diesem Vormittag klingelt die Glocke, bevor eine blonde Frau zur Tür hereinkommt. Sie trägt schwarze Schuhe, schwarze Jeans und eine schwarze Jacke. „Ich bin gekommen, um Minka abzuholen“, sagt sie. Minka, die nach längerer Krankheit eingeschläfert werde musste, gibt es so jetzt aber nicht mehr. Nur noch ihre Überreste sind nach der Einäscherung übrig geblieben. Eine Art weißer Sand in einem Plastikbeutel mit einem weißen Schamottstein, darauf steht eine Nummer. 61322. „Das ist quasi wie der Personalausweis“, sagt Bisco. Der 61-Jährige war früher Mechanikermeister, bevor er seine Berufung fand: Tierbestatter. Seit 13 Jahren hilft er Menschen über den Verlust ihrer Katze, ihres Hundes, ihrer Maus, Ratte oder ihres Kakadus hinweg. „Für das Tier kann man leider nichts mehr tun. Aber den Menschen, denen will ich helfen.“ Ein Tier sei mehr als nur „ein Viech“, wie viele es ausdrücken. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sei der Stellenwert eines Haustieres innerhalb der Familie stark gestiegen. „Es sind vollwertige Familienmitglieder.“
Den Beweis dafür liefert die ehemalige Besitzerin von Minka. „Wollen Sie die Asche sehen?“, fragt Bisco. Die blonde Frau hebt beide Hände vor ihren Körper und schüttelt den Kopf: „Nein, lieber nicht.“ Dann überlegt sie es sich doch anders. Mit roten Augen und einem Taschentuch in der Hand sieht sie still zu, wie der Tierbestatter Asche und gemahlene Knochen in eine weiße bauchige Urne rieseln lässt. Es klackert ein paar Mal, dann ist Minka verschwunden. Endgültig. Wo soll die Urne stehen? „Vielleicht vergraben wir sie an ihrem Lieblinsplatz im Garten“, überlegt sie. Dann fügt sie noch hinzu: „Wir hatten zu wenig Zeit mir ihr.“
Obwohl Gerhard Bisco von Beruf Tierbestatter ist, hat er noch mehr mit den Menschen zu tun, zu denen die Verstorbenen Vierbeiner gehört haben. „Manche wollen nur so schnell wie möglich die Formalitäten hinter sich bringen, andere bleiben minuten- bis stundenlang hier sitzen und wollen reden.“ Mit der Zeit entwickle man ein Gefühl dafür, was die Trauernden brauchen.
Im Jahr führt Bisco bis zu 1000 Bestattungen durch. Am Anfang seiner Karriere als Tierbestatter wurde er noch „belächelt“. Dass die Nachfrage nach Bestattungen für Haustiere so rapide ansteigen würde, hat niemand geglaubt. Doch die Branche boomt. In 43 Prozent der deutschen Haushalte lebt ein Haustier, wobei die meisten davon Katzen sind. Jedes Jahr sterben zehn Millionen Haustiere. Doch anstatt Waldi und Mieze einfach im Garten zu vergraben, nehmen immer mehr Tierbesitzer die Dienste eines Bestatters in Anspruch. 150 Tierbestatter, 120 Tierfriedhöfe und 24 Tierkrematorien. Die Branche fährt jedes Jahr einen Umsatz von 15 Millionen Euro.
Das Telefon klingelt, am anderen Ende der Leitung ist eine ältere Dame. Ihr Zwergpudel Ricky soll noch heute vom Tierarzt eingeschläfert werden. Ob Gerhard Bisco ihn wohl danach abholen könnte? „Ich halte mir den Abend für Sie frei. Viel Kraft für die schwere Stunde.“ Er ist rund um die Uhr, auch am Wochenende und an Feiertagen für seine Kunden da. Und Bisco weiß, wovon er spricht. Auch er musste schon einen Hund begraben, er kennt den Schmerz. Dabei gebe es aber nicht nur ältere Damen, die zu ihm kommen: von Kindern bis zu Rentnern, Männer und Frauen und aus allen sozialen Schichten. „Zu meinen Kunden gehören sowohl Hartz IV-Empfänger als auch Manager.“ Die einzigen, die selten zu ihm kommen, seien Metzger, Bauer und Förster: „Die haben einfach eine andere Beziehung zu Tieren.“ Oftmals habe ein Hund eher den Status eines Nutztiers als den eines Familienmitglieds.
Gerhard Bisco ist es wichtig, Tier und Besitzer vom Todeszeitpunkt bis zur Bestattung zu begleiten. Oft wird er auch danach noch zum Leichenschmaus eingeladen. „Ich hole das Tier persönlich ab. Entweder von Zuhause oder vom Tierarzt.“ Je nachdem, wo das Tier gestorben oder eingeschläfert wurde. Dann wird das Tier im Kühlraum in seinem Bestattungsunternehmen aufbewahrt. Wenn sich Besitzer von Hund und Katze verabschieden wollen, haben sie dazu im Abschiedsraum Gelegenheit dazu. Dann geht die Reise nach Oedheim bei Heilbronn. Dort werden die Haustiere im Tierkrematorium „Himmelswelt“ bei rund 900 Grad eingeäschert. Auch Erdbestattungen sind möglich. Katzenbesitzer müssen mit Kosten zwischen 200 und 250, Hundeherrchen mit bis zu 350 Euro rechnen. Je nach Gewicht des Tieres kann es auch teurer werden.
Ihre letzte Ruhestätte finden die Tiere dann entweder im heimischen Garten, in einer Urne oder einem Sarg vergraben. Auch in Hedelfingen gibt es einen Ort, den Tierfriedhof Katzenbachtal. Sie werden auf dem Lieblings-Gassiweg verstreut oder stehen auf dem Kaminsims. Wer sein Haustier so nah wie möglich bei sich haben will, kann Asche in einen Schmuckanhänger füllen. „Ich habe auch viele Männer als Kunden, die das machen“, sagt Bisco. Und: „Männer weinen genauso wie Frauen. Da müssen mitunter Niagara-Fälle getrocknet werden.“