Minus vier Grad Celsius registrierte das Thermometer im Weinberg von Rainer Bubeck, dem Rebschutzwart vom Collegium Wirtemberg. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Die Sonne schien zwar gestern, zum Strahlen hatten die Wengerter Dieter Strauß und Rainer Bubeck aber keinen Grund. Sie verschafften sich einen Überblick über die Frostschäden. In manchen Reblagen war die Temperatur in der Nacht auf Donnerstag auf minus sechs Grad Celsius gefallen. Geöffnete Knospen hatten keine Chance. Sie erfroren. Je nach Gebiet und Rebsorte rechnen die Wengerter mit Ernteausfällen von mehr als 50 Prozent.

Dieter Strauß, den stellvertretenden Vorsitzenden der Weinmanufaktur Untertürkheim, zog es gestern in die Reblagen. In seinem Weinberg unweit der Rotenberger Kelter bearbeitete er den Boden. Der Arbeit nachgehen, als ob nichts passiert wäre. Doch die Stunden von Mittwochabend bis Donnerstagvormittag haben die Situation in den Weinanbaugebieten entscheidend verändert. „Die Temperaturen fielen in den frühen Morgenstunden des Donnerstags auf minus vier Grad Celsius“, sagt Rainer Bubeck, der Rebschutzwart des Collegiums Wirtemberg. Er verweist auf einen Thermometer, den er an einem Rebstock aufgehängt hat. In manchen Senken, etwa im Bereich der Aussiedlerhöfe „In den Aspen“ oder im Gehrenwald zwischen Untertürkheim und Rotenberg haben die Wengerter gar Temperaturen von minus sieben Grad Celsius gemessen. „Das war zu viel“, sagt Bubeck.

Hinzu komme, dass am Vormittag dann früh die Sonne vom wolkenlosen Himmel schien. „Die Sonnenstrahlen entziehen den noch vom Frost gefrorenen Trieben zusätzlich Verdunstungswärme“, sagt Bubeck. „Das ist so, als wenn wir unsere gefrorenen Hände unter heißes Wasser halten. Es schmerzt noch stärker“, erklärt Strauß. Das traurige Ergebnis begutachteten sie an den Reben. Durch den milden Winter waren die Triebe bereits zwei bis drei Wochen weiter entwickelt wie nach einem normalen Winter. Die Knospen waren knackig und grün. Nach dem Frost sind die „Augen“ lasch und werden schwarz. Sie sind abgestorben. Aus ihnen werden sich keine Trauben entwickeln können.

Die Wengerter lassen die Köpfe indes noch nicht hängen, wollen noch einige Tage abwarten. „Bei manchen Sorten können die Nebenaugen noch austreiben und wenigstens kleinere Früchte ergeben“, sagt Jürgen Bauer vom Weinfactum Bad Cannstatt. Er hat an seinen Trollinger- und Rieslingstöcken die schlimmsten Schäden entdeckt. Er rechnet mit einem Ausfall von 50 bis 60 Prozent.

Auch seine Kollegen tun sich mit der Einschätzung schwer, haben noch Hoffnung, aber der Schock ist spürbar. „Das Ausmaß der Schäden variiert je nach Lage und Rebsorte. Frühe Sorten wie Lemberger sind stärker betroffen“, sagt Strauß. Die Schäden liegen teilweise zwischen 50 und 100 Prozent. „Der Kälteeinbruch hat nicht nur einzelne Senken, sondern auch die Steillagen getroffen. Es ist eine Dimension, wie mein Vater und ich sie noch nicht erlebt haben“, ergänzt Bubeck.

Sein Mitgefühl gilt den Kollegen der kleineren Weingüter. „Als Genossenschaft können wir den Ausfall durch die in den Tanks liegenden Weine der Vorjahre etwas ausgleichen, unseren Verpflichtungen nachkommen und die Kunden bedienen“, sagt Strauß. Gibt es Engpässe, werde Weine aus den europäischen Nachbarländern Lieferlücken schließen.

Im Übrigen werde die Arbeit in den Weinbergen durch die Frostschäden nicht weniger, im Gegenteil: Die Pflanzen müssten noch mehr gepflegt werden, allerdings ohne auf eine gute Ernte hoffen zu können.