Damit die Bademeister sich auf die Gäste in den Schwimmbecken konzentrieren können, patrouilliert bei Hochbetrieb ein Sicherheitsdienst. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Nicht erst seit dem sexuellen Übergriff in Kirchheim patrouillieren in Stuttgarts Freibädern Wachleute. „Seit Saisonbeginn erhalten unsere Bademeister bei Hochbetrieb durch die Zweier-Teams Unterstützung“, sagt Anita Grube, die kommissarische Leiterin der Bäderbetriebe. Diese Unterstützung abseits des Beckenrandes ist wichtig, denn die Zahl der Rettungseinsätze ist gestiegen.

Jeder ist an die Sicherheitsdienste in den Einkaufszentren, bei Veranstaltungen oder an Haltestellen gewohnt. Nun aber kann es auch passieren, dass Freibadgäste auf der Liegewiese einer Doppelstreife mit Warnweste begegnen. „Seit dieser Saison können wir für unsere Freibäder auf einen Wachdienst zurückgreifen. Das Inselbad teilt sich ein Zweierteam mit dem Freibad Killesberg “, sagt Grube. Die Wachleute kommen aber nur bei sonnigem Wetter, wenn die Bademeister großen Ansturm erwarten, zum Einsatz. „Dann sind wir für die Entlastung dankbar“, sagt Arvid Donert, der Leiter des Inselbads. Die Bädermitarbeiter können sich so besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: die Aufsicht vom Beckenrand aus, für Ordnung sorgen in den Schwimmbecken, Unfallgefahren unterbinde, im Notfall ins Becken springen und einen Badegast, der Hilfe benötigt, retten.

Die Zahl der Rettungseinsätze steige, sagt Grube. Eine Ursache dafür sei, dass immer weniger Badegäste sich sicher über Wasser halten können. „Viele Jugendliche und Erwachsene haben keine Badekultur mehr“, sagt Donert. Sie haben Schwimmen nicht gelernt und schätzen die Gefahren falsch ein. „Weil sie bis auf den Grund blicken können, glauben sie, sie könnten dort stehen und springen ins fünf Meter tiefe Sprungbecken.“ Mehrfach hätten seine Mitarbeiter Flüchtlinge aus dem Becken geholt. „Nichts Dramatisches, keiner musste ins Krankenhaus, aber wir mussten eben achtsam sein und Hilfe leisten“, sagt Donert.

Damit Pöbeleien auf der Liegewiese Badenmeister nicht von der Aufsicht am Beckenrand abhalten, läuft das Wachduo Streife. Allein die Präsenz verschaffe Respekt, so Grube. Gleichzeitig haben die Bäderbetriebe auch Tafeln mit Baderegeln in verschiedenen Sprachen aufgestellt. Mit Bildern und kurzen Texten wird in englischer, französischer, arabischer und deutscher Sprache erklärt, wie man sich in Freibädern zu verhalten hat.

„Denn bei 2,3 Millionen Badegästen im Jahr kommt es auch in unseren Bädern zu sexuellen Übergriffen“, räumt Grube ein. Im Freibad Rosental und im Inselbad gab es jeweils einen Fall. Die Bäderbetriebe kennen dann kein Pardon. „Der Tatverdächtige erhält Hausverbot auf Lebenszeit und wir verständigen die Polizei.“

Dass auch Polizei und Staatsanwaltschaft sexuelle Übergriffe keineswegs als Kavaliersdelikt ansehen, bekommt der Täter vor Gericht zu spüren. Jeder Einzelfall werde untersucht. Ein Berühren eines bekleideten Badegasts im Intimbereich werde in der Regel als „sexuelle Beleidigung“ gesehen und kann mit Geldstrafen oder Freiheitsstraßen bis zu einem Jahr geahndet werden, so Pressestaatsanwalt Jan Holzner. Werde das Opfer bedroht oder eine Notlage ausgenutzt, dann beträgt die Freiheitsstrafe in der Regel mindestens ein Jahr. Bei Berührung im Intimbereich unter dem Badeanzug handele es sich um eine sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung. Das Strafmaß liegt in der Regel nicht unter zwei Jahren.