Seit 29 Jahren hat die Alstom Boiler Deutschland GmbH einen Standort in der Augsburger Straße 712 in Obertürkheim. Foto: Müller Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Der massive Stellenabbau nach der Übernahme der Energiesparte des französischen Konzerns Alstom durch General Electric (GE) gefährdet auch den Traditionsstandort in Obertürkheim. Seit 29 Jahren ist die Entwicklungssparte für Boilertechnik bei Kraftwerken in der Augsburger Straße. Insgesamt 1700 Stellen will die Konzernleitung in ganz Deutschland abbauen. In Obertürkheim sollen anstatt 416 nur noch 188 Mitarbeiter tätig sein. „Auf Dauer sind wir so nicht mehr überlebensfähig“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Rainer Schäfle.

Die Verhandlungen laufen seit Monaten auf Hochtouren, konkrete Ergebnisse können weder die Konzernseite noch der Betriebsrat bislang präsentieren. Dabei sitzen die Mitarbeiter wie auf glühenden Kohlen. Bereits seit zwei Jahren befindet sich das Unternehmen in einer Restrukturierungsphase. Damals noch als eigenständiges Alstom-Unternehmen sollte bis März dieses Jahres die Zahl der Mitarbeiter in der Augsburger Straße von 416 auf 333 gesenkt werden. „Kündigungen wurden in diesem Zusammenhang keine ausgesprochen. Es sollte auf freiwilliger Basis mit Hilfe von Abfindungen geschehen“, erklärt Schäfle. Mit der Übernahme durch GE haben sich die Vorzeichen massiv verschärft.

Langsames Ausbluten

1700 der insgesamt 3000 Arbeitsplätze der von GE übernommenen früheren Alstom Gesellschaften sollen in ganz Deutschland abgebaut werden. Am Standort Obertürkheim soll die Zahl der Mitarbeiter noch einmal deutlich auf 188 bis Ende 2017 gesenkt werden. Schäfle vergleicht dies mit einem langsamen Ausbluten. Das reiche für eine funktionelle Kompetenz nicht aus, „so können wir auf Dauer nicht bestehen“.

Dabei hat der Standort Obertürkheim eine lange Tradition. Bereits in den 1960er-Jahren wurde der Entwicklungsbereich für Boilertechnik von GE in den Stuttgarter Westen verlegt. Ende der 1980er-Jahre erfolgte der Umzug in die Augsburger Straße 712. Zeitweise arbeiteten bis zu 1000 Menschen am Standort. Denn bis zum Jahr 1995 war auch die Werkstatt mit 500 Angestellten vor Ort, bevor diese nach Neumark ins Vogtland verlegt wurde (diese Fertigung wurde 2015 geschlossen). Übrig blieb die Entwicklungssparte. In Obertürkheim werden hochtechnologisierte Kraftwerksanlagen für Braun-, Steinkohle und Gas ausgetüftelt. Die Fertigung selbst erfolgt nun direkt in Asien wie beispielsweise in Indien oder China. „Wir sind ein reiner Ingenieurstandort mit entsprechender Abwicklungskompetenz“, sagt Schäfle.

In einem von der Konzernleitung angestrebten „New Operating Model“ sollen Teile der Entwicklung nunmehr ausgelagert werden. „Nur noch 30 Prozent sollen in Obertürkheim erfolgen, 70 Prozent in Asien“, erklärt Schäfle. Das Fachwissen soll Stück für Stück ausgelagert werden. „Das ist aber nicht komplett machbar.“ Und vor allem auch gegenüber den Mitarbeitern nicht darstellbar, „wenn sie durch ihren Einsatz und ihre Zusammenarbeit vielleicht ihren eigenen Arbeitsplatz wegrationalisieren“, sagt Schäfle. Daher wurde bereits im Februar dieses Jahres gegen den Stellenabbau demonstriert.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage sieht der Betriebsrat ein, dass die Belegschaft verschlankt werden müsse. „Aber nicht so enorm.“ Im September habe man der GE-Spitze ein eigenes Modell vorgelegt, wonach anstatt der 1700 Stellen verträglich 400 bis 500 Arbeitsplätze durch Altersteilzeit abgebaut werden könnten. Entsprechend weniger auch in Obertürkheim.

Derzeit sei anders als in Mannheim und Bexbach, wo ganze Werke geschlossen werden, die Niederlassung der Augsburger Straße nicht auf der Streichliste. Über eine Standortsicherung oder Arbeitsplatzgarantie wolle die Konzernleitung aber nicht sprechen, sagt Schäfle vielsagend. Sollte der angekündigte Stellenabbau wie geplant durchgezogen werden, könnten auch in Obertürkheim die Lichter ausgehen - nach knapp 30 Jahren.