Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Wenn Eltern aus Stuttgart ihren Kindern in der Osterzeit einen Feldhasen zeigen wollen, benötigen sie Geduld. Vor drei Jahrzehnten noch ein oft gesehenes Allerweltstier bei Spaziergängen, ist er seitdem zur Seltenheit geworden. „Die Flächenversiegelung, die Nutzung der Agrarflächen für Monokulturen haben seinen Lebensraum eingeengt“, erklärt Armin Liese vom Landesjagdverband. Erschwerend kommt die Tularämie hinzu. Die sogenannte Hasenpest ist tödlich und dezimiert den Bestand stark.

Hand aufs Herz - wann haben Sie zum letzten Mal einen Feldhasen bei einer Wanderung in ihrem Stadtbezirk gesehen? Wer nicht ständig in Wald und Flur unterwegs ist und zudem ein Auge für die Mümmelmänner hat, wird den Wildtieren selten begegnen. „Im Vergleich zu den 70er-Jahren, als der Feldhase noch fast ein Allerweltstier war, ist sein Anblick seltener geworden“, sagt Biogeograf Armin Liese. Er bezieht sich dabei auf die aktuellen Daten, die die Wildforschungsstelle am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Landesjagdverband erhoben hat. Die Feldhasenpopulation wird dabei sowohl im Frühjahr als auch im Herbst in über 170 Zählrevieren durch engagierte Jägerinnen und Jäger ehrenamtlich erfasst. Die Hasenzähler sind bei Dunkelheit unterwegs, fahren bestimmte Strecken im Jagdrevier mit dem Auto ab und leuchten mithilfe eines Scheinwerfers die Offenlandflächen auf der Suche nach Feldhasen ab. Die reflektierenden

Augen und die Silhouette verraten Meister Lampe. Die erhobenen Daten werden von der Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg ausgewertet.

„Demnach hält sich der Bestand der Feldhasen zwar, allerdings im Vergleich zu vor 30 Jahren auf einem niedrigen Niveau“, so Liese. Die Gründe sind mannigfaltig: Zunächst ging durch die Flächenversiegelung Lebensräume verloren. Hecken, Raine oder hohe Blumenwiesen, in denen das Wildtier Schutz suchen konnte, sind Mangelware. Zudem fällt es dem Pflanzenfresser schwer, seine gesunde Lieblingsnahrung zu finden. Wildkräuter, Mohrrüben und Gräser sind selten, Monokulturen beherrschen die Agrarlandschaft. Zudem müssen Hasen sich gegen die zunehmende Zahl der Fressfeinde wehren. Kulturfolger wie Fuchs, Waschbär, Elstern und Krähen haben sich besser ans Stadtleben und die Nähe zu den Menschen angepasst. Meister

Lampe ist ein Angsthase geblieben. Seit wenigen Jahren droht weiteres Ungemach. Eine tödliche Krankheit breitet sich aus. Die Tularämie wird durch ein hochansteckendes Bakterium ausgelöst. Befallene Tiere werden

schwach, apathisch, bekommen Fieber und sterben innerhalb weniger Tage. Da das Krankheitsbild der Pest ähnelt, wird Tularämie auch Hasenpest genannt. „Die Seuche ist in 31 von 44 Landkreisen weit verbreitet und kann auch auf Menschen übertragen werden“, so Liese. Deshalb sein

Tipp: Hände weg von toten oder geschwächten Hasen.

Diese Empfehlung gilt auch für Jungtiere. Im März bringen die Häsinnen bereits den ersten Wurf Junghasen zur Welt. „Bei Nässe und Kälte laufen die Junghasen allerdings Gefahr nicht durchzukommen“, so Liese. Anders als Kaninchen, die in Bauten leben, setzt die Häsin ihre Junge in einer „Kuhle“, der Sasse, auf freiem Feld oder im Wald ab und kommt nur sporadisch, um die Nachkommen zu säugen. „Deswegen lassen Sie junge Hasen in Ruhe. Sie werden meist noch von der Häsin gesäugt“, bittet Liese. Einen besonderen Appell richtet er an Hundebesitzer. „Nehmen Sie Ihre Hunde bitte an die Leine.“ Helfen können auch Gartenbesitzer, indem sie Unterschlupfgelegenheiten schaffen, auf Wimbledon-Rasen verzichten und „Unkräuter“ gestatten.

Der Feldhase steht dabei stellvertretend für weitere Niederwildarten wie Rebhuhn, Fasan oder Hamster, die sensibel auf Lebensraumveränderungen reagieren und noch rarer geworden sind. Aus diesem Grund hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz das Projekt „Allianz für Niederwild“ ins Leben gerufen, das von Wildforschungsstelle und Landesjagdverband durchgeführt wird. Dieses möchte die ökologischen Bedürfnisse der sogenannten Offenlandarten mit den agrarökonomischen Erfordernissen verzahnen: So sollen agrarpolitische Rahmenbedingungen besser genutzt und ausgebaut werden, die eine Förderung der Niederwildarten und den Erhalt und Verbesserung der Lebensräume in der Feldflur möglich machen.