Nicht nur in Fußgängerzonen und Parkanlagen, sondern auch im Verkehr sind die Spieler auf der Jagd nach den Pokémon-Monstern. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Die hysterische Begeisterung um das erst vor gut zwei Wochen in Deutschland auf den Markt gekommene Smartphone-Spiel „Pokémon go“ ruft nun auch Autoclubs, Polizei und Verkehrsbehörden auf den Plan. Durch die App erhöhe sich deutlich das Unfallrisiko. Die Experten warnen Auto-, Motorrad- und Fahrradfahrer davor, im Straßenverkehr auf „Monsterjagd“ zu gehen.

Ob auf Straßen, Gehwegen oder Plätzen sowie in Gebäuden - überall können sich die kleinen virtuellen Pokémon-Monster verstecken. Inzwischen sind bereits Millionen von Spielern mit starrem Blick auf ihr Smartphone auf der Jagd (siehe Kasten). Wenn das Spiel allerdings im Straßenverkehr stattfindet, birgt das große Gefahren.

In den USA haben sich bereits mehrere Hundert Unfälle ereignet, „in einem Fall wendete ein Autofahrer gar auf dem Highway“, weiß Reimund Elbe, Sprecher des ADAC Württemberg. Davon sei man in Stuttgart noch weit entfernt. Allerdings sei die Ablenkung durch die App enorm, schließlich müssen die Spieler ständig auf ihr Handy schauen. Im „Straßenverkehr kann dies tödlich enden“, betont Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands des Sachverständigenverbands Dekra. Nur eine Sekunde Unaufmerksamkeit bedeutet bei Tempo 50 einen „Blindflug“ von 15 Metern.

Bislang hat die Stuttgarter Polizei keine Unfälle aufgrund von Pokémon go verzeichnet, dennoch warnt Sprecher Thomas Geiger: „Ohne Freisprechanlage ist die Nutzung des Handys im Auto generell verboten.“ Ein Verstoß sieht ein Bußgeld von 60 Euro und einen Punkt vor. Gleiches gilt für Motorradfahrer, die ihr Smartphone am Lenker montieren. Fahrradfahrer müssen 25 Euro bezahlen.

Denn nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Stuttgarter Parkanlagen, auf Gehwegen und in den Einkaufspassagen lauert die Gefahr. Hans-Jörg Longin, der Leiter des städtischen Vollzugsdienstes, und seine Mitarbeiter haben bereits selbst erlebt, dass mancher Gang einem Zick-Zack-Kurs gleicht, um den „Pokémon-Jägern“ auszuweichen. Sollte sich der Trend fortsetzen, könnten „die Probleme noch kommen“, befürchtet er.

Vor allem Kinder seien in die virtuelle Welt vertieft, und könnten nicht mehr zwischen real und fiktiv unterscheiden. Daher sind nach den Experten vor allem die Eltern bei der Verkehrserziehung in der Pflicht. Denn „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, sagt Bahnsprecher Martin Schmolke. Denn auch Fußgänger sind gefährdet. In Kalifornien stürzten zwei Spieler am Atlantik mehr als 15 Meter einen Abhang hinab. Bislang sieht die Bahn von Maßnahmen wie Warnschildern ab. Das gilt auch für die Stuttgarter Straßenbahnen AG. „Wir beobachten die Lage aber sehr genau“, sagt Sprecherin Birte Schaper.

Auch die Industrie sieht noch keinen Handlungsbedarf. So sei die Nutzung der für das Spiel notwendigen Handykameras auf dem Werksgelände des Daimler-Hauptsitzes in Untertürkheim grundsätzlich verboten. „Das beinhaltet auch Pokémon go“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Dennoch weise der Arbeitsschutz in seiner aktuellen Kampagne gezielt darauf hin, sich durch die Handynutzung auf den Wegen im Unternehmen nicht ablenken zu lassen. Mit dem neuen Smartphone-Spiel wird die Gefahr sicher nicht geringer.

Pokémon Go

„Pokémon“ tragen seltsame Namen wie Traumato oder Magnetilo, kämpfen gern gegeneinander und haben eine gewaltige weltweite Fangemeinde. „Pokémon“ ist eine Wortbildung aus „Pocket Monster“ - Taschenmonster. Zum ersten Mal tauchten sie 1996 in einem Spiel in Japan auf. Im „Pokémon“-Universum gibt es mehr als 700 Figuren. Die beliebteste dürfte „Pikachu“ sein - ein kleines gelbes Monster mit einem Schwanz in der Form eines Blitzes. Seit dem 6. Juli in den USA und einigen weiteren Ländern läuft das Spiel nun auch auf dem Smartphone: Und das von Nintendo und dem Google-Spinoff Niantic Labs entwickelte, kostenlose Spiel verbreitet sich explosionsartig. „Pokémon Go“ verbindet kleine niedliche Monster, Smartphones, GPS und Karten zu einer virtuellen Monsterjagd mit Duellen und Rollenspiel-Elementen. Seit 13. Juli ist die Android-Version auch in Deutschland verfügbar. An sogenannten Pokéstopps tauchen sie plötzlich auf, dann schaltet das Spiel die Kamera automatisch ein. Durch die GPS-Verbindung ist immer genau bekannt, wo sich der Nutzer befindet. In das Bild der realen Welt wird dann das fiktive Pokémon eingeblendet, das man mit einfachen Bällen abschießen und somit einfangen kann. Das Problem: Dafür muss man sehr nahe heran, egal wo sich die Monster befinden.