In Hexen- und Teufelskostümen feiern die Menschen meist rund um ein großes Feuer die Walpurgisnacht. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Der Mai kündigt sich an und wird mit Festen und Bräuchen willkommen geheißen. Kaum eine Zeitspanne kennt so viele Traditionen wie die Stunden zwischen 30. April und 1. Mai: Walpurgisnacht, Hexentanz, Liebes-Maiele, Possenstreiche, Maibaum aufstellen, Tanz in den Mai, Maibock, Tag der Arbeit und Marienandacht - eine Nacht und ein Tag, die es in sich haben.

Walpurgisnacht: Unter den 365 Tagen eines Jahres gibt es wenige, die seit Jahrhunderten besondere Bedeutung genießen. Der Übergang vom April zum Mai ist solch ein herausstechendes Datum. Es galt als das Ende des Winters. Nach alter Überlieferung vertreiben in dieser Nacht die germanischen Götter Wotan und Freya die Winter-Dämonen und zeugen den Frühling. Es musste Lärm gemacht und Feuer entfacht werden, um Hexen und Dämonen zu vertreiben. Auf Besen oder Mistgabeln reitende Hexen sollen sich am 30. April zum Hexensabbat auf dem Brocken, auch Blocksberg genannt, treffen. Bekannt gemacht hat Goethe das Szenario in seinem Meisterwerk: Mephisto überredet Faust, den Umtrieben auf dem höchsten Gipfel im Harz beizuwohnen. Es ist die Walpurgisnacht. Der Name geht auf die Äbtissin Walburga zurück, die im achten Jahrhundert lebte und von Papst Hadrian heiliggesprochen wurde - vermutlich am 1. Mai.

Tanz in den Mai: Die umtriebigen Hexen sind die Ursprünge für etliche Bräuche: Noch heute treffen sich als Hexen kostümierte Menschen auf dem Brocken oder auf anderen Gipfeln. Auch der „Tanz in den Mai“ hat hier seine Wurzeln: Mit Überschwang wird der Winter verabschiedet und es wird in den Wonnemonat getanzt. Klamauk, Schabernack und über die Stränge schlagen, ist erlaubt. „In einigen Gegenden ist die Nacht auch als Possennacht bekannt - und heutzutage gefürchtet“, sagt Brauchtumskenner Wulf Wager. Über Nacht werden Gartentürchen ausgehängt, vor dem Haus stehende Mülltonnen versteckt oder Autos in WC-Papier gewickelt. „Der Schabernack sollte aber in Grenzen gehalten werden. Auch ein geworfenes Ei kann Schaden verursachen“, warnt Polizeisprecher Stephan Widmann.

Liebesmaiele: Liebevoller ist ein anderer Brauch. Verehrer fällen eine frische Birke, schmücken sie mit Bändern und stellen sie ihrer Angebeteten in den Garten. Wager hatte auch schon zwei Bäumchen im Garten - von den Verehrern seiner Töchter. Oft sind die „Liebesmaiele“ der Anfang einer großen Liebe. So fand Erika Bechtold aus Hedelfingen vor 60 Jahren eine geschmückte Birke im Garten. „In Hedelfingen war der Brauch zwar nicht bekannt, aber ich ahnte, was es bedeutet“, sagt sie lachend. Wer ihr den Baum verehrt hatte, erfuhr sie am Abend beim Tanz in den Mai - ihr heutiger Mann Hermann.

Maibaum: Überhaupt spielen Bäume rund um den 1. Mai eine herausragende Rolle. „Seit vielen Jahrzehnten stellen in bayrischen Orten junge Männer einen langen, geschmückten Baumstamm auf dem Dorfplatz auf“, sagt Wager. Vor 35 Jahren habe er diesen Brauch auch in Degerloch wiedereingeführt - Stuttgarts erster Maibaum der Nachkriegszeit, so Wager. Andere Stadtbezirke zogen nach. Nicht nur der frisch entastete Stamm steht dabei für die erwachende Natur. Auch das Aufrichten des Maibaums wird zur Demonstration der Stärke. Das gemeinsame Stemmen des mehrere Zentner schweren Frühjahrssymbols führt den Zuschauern die Muskelkraft der Männer vor Augen. Natürlich will dabei der eine Ort den Nachbarort übertrumpfen: mit dem höchsten oder schönsten Baum. Und manchmal - zumindest in Bayern - wird der Baum auch von den Nachbarn geklaut.

Maibowle: Gefeiert und „begossen“ wird der Kraftakt gerne - mit einer Maibowle, oft mit Waldmeister, oder einem Maibock - einem besonders kräftigen Bier, eben ein Getränk für starke Männer.

Tag der Arbeit: Auf eine 126 Jahre alte Tradition kann am 1. Mai auch die sozialistische Bewegung zurückblicken. Auf einem internationalen Kongress in Paris beschlossen Delegierte der sozialistischen Parteien und Gewerkschaften, dass die Arbeiter „an einem bestimmten Tag in allen Städten“ zu einem Generalstreik aufgerufen werden. Ihre Forderung damals: der Acht-Stunden-Tag. Der 1. Mai 1890 wurde als Tag der internationalen Kundgebung bestimmt. Die Europäer schlossen sich mit der Terminwahl dem amerikanischen Arbeiterbund an. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der 1. Mai als „Tag der Arbeit“ - in der DDR wie in der den westlichen Bundesländern als Feiertag anerkannt.

Maialtar: In den katholischen Kirchen finden sich jetzt auch wieder „Maialtare“. Es sind mit Blumen geschmückte Marienstatuen. Denn der fünfte Monat im Jahr ist der Marienmonat, an dem Maria verehrt wird.