Die Anträge von Michael Walz füllen dicke Aktenordner. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Lichterketten aufhängen, Plakate verteilen, Tannenbäume schmücken - die ehrenamtlichen Organisatoren der Adventsmärkte stecken zurzeit viel Zeit in die Vorbereitungen. Brandschutz, Lebensmittel-Bestimmungen, Spuckschutz. Immer neue Auflagen und Vorschriften erschweren ihre Arbeit und verderben ihnen den Spaß. Jüngste Ärgernisse: Organisatoren müssen ein Führungszeugnis vorlegen und einen Schilderlehrgang belegen.

Die Weihnachtsmärkte haben in den Stadtbezirken eine Jahrzehnte lange Tradition, machen das Flair und das Zusammenleben in den Stadtteilen aus. In den Oberen Neckarvororten zeichnen die Gewerbe- und Handelsvereine für die vorweihnachtlichen Veranstaltungen verantwortlich. Kraftakte für die Vereinsmitglieder, die die Organisation meist zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit als Unternehmer in der eh stressigen Vorweihnachtszeit stemmen müssen. Der Aufwand, einen Weihnachtsmarkt genehmigt zu bekommen, steigt. Michael Walz, der Stuttgarts ältesten Stadtteilweihnachtsmarkt, jenen im Untertürkheim, organisiert, zückt einen dicken Ordner. „Hier sind sämtliche Anträge, Anmeldungen, Pläne, Vorschriften und Genehmigungen abgeheftet“, sagt das Mitglied des Industrie-, Handels-und Gewerbevereins (IHGV). Mehr als hundert Stunden Schreibarbeit, Telefonate und Ämtergänge opferte er für die Vorbereitung des Traditionsfestes. Dabei hat der IHGV die Beschilderung der Straßen bereits in professionelle Hände gegeben. Aus gutem Grund.

Schilderbeauftragter gefordert

Für Veranstaltungen im öffentlichen Straßenraum wird eine Straßenbeschilderung benötigt. „Dazu müssen wir einen detaillierten Beschilderungsplan zur Genehmigung einreichen. Zudem ist eine Haftpflicht Pflicht“, sagt Christian Zaiß, der Vorsitzende des Handels- und Gewerbevereins Obertürkheim-Uhlbach. Bislang konnten die Organisatoren sich die Park- oder Durchfahrtsverbot-Schilder beim städtischen Bauhof abholen und nach der Veranstaltung wieder abliefern. Damit ist nun Schluss. Neu ist zudem, dass die Veranstalter einen offiziellen Schilderbeauftragten vorweisen müssen, der einen eintägigen Schilderlehrgang belegen muss. Kosten 320 Euro. Die Regelung löste Kopfschütteln bei den Verantwortlichen des Gewerbe- und Handelsverein Hedelfingen aus. „Wir machen unsere Arbeit für einen attraktiven Stadtbezirk gerne, stecken Herzblut, Zeit und Geld in die Veranstaltungen und halten als Verantwortliche den Kopf hin, bekommen aber immer mehr Steine in den Weg geworfen“, sagt GHV-Vorsitzender Michael Weber. Als Jurist könne er einige Vorschriften nachvollziehen, wundere sich aber auch oft über unsinnige Auflagen und den Umgang mit den Ehrenamtlichen.

Frust über zunehmende Regeln

Detailgetreue Stand- oder Sitzpläne für Feste sind Pflicht, wobei jede Sitzbank feinsäuberlich aufgemalt werden müsse, erzählen alle Organisatoren. Eingereicht werden sollen die Anträge für den Weihnachtsmarkt im Sommer. „Das raubt uns und den Vereinen, die die Stände betreiben, die Chance, spontan zu reagieren“, sagt Christian Zaiß. Der Frust ist groß.

Dirk Strohm, der Sprecher der Altstadt Bad Cannstatt, hat als Organisator des Welt-Weihnachtsmarkts ein Schreiben erhalten. Er wird aufgefordert, ein aktuelles Führungszeugnis vorzulegen. Auch der Einsatz von Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler half nicht. Er wollte das Problem auf dem kleinen Dienstweg klären und telefonisch für Strohm bürgen - ohne Erfolg. „Eine absolute Ausnahme. Es ist ein Markt mit mehr als zwölf gewerblichen Anbietern, der auch sonntags geöffnet hat. Ein Bundesgesetz schreibt ein Führungszeugnis vor“, erklärt Hermann Karpf, der Referent des Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer. Auch ansonsten bittet er um Verständnis für die Mitarbeiter des Ordnungsamts. Anträge müssten oft mit unterschiedlichen Abteilungen im Ämterumlauf abgestimmt werden, benötigen Zeit. „Je früher man sie einreicht, desto eher können die Mitarbeiter helfen, Tipps geben“. Die Kollegen seien gerne behilflich, klären im Vorfeld über Vorschriften zu Preis-, Lebensmittelauszeichnungen oder andere Vorgaben auf. Immer wieder ermöglichen sie auch, vergessene Anträge in fast letzter Minute zu bearbeiten. Aber: Im Laufe der vergangenen Jahre müssen immer mehr Regelungen kontrolliert werden, ohne dass das Personal entsprechend aufgestockt wurde. „Einen Schilderlehrgang fordert unsere Genehmigungsbehörde aber nicht, er ist jedoch sicher hilfreich“, so Karpf.

Rückendeckung fürs Ehrenamt

Der Unmut bleibt. Durch diese Vorgehensweisen der städtischen Behörden werden die ehrenamtlich Tätigen noch mehr belastet, viele Veranstaltungen sind bereits akut gefährdet, heißt es in einem Antrag der Freien-Wähler-Fraktion im Gemeinderat. „Uns helfen die Lobreden aufs Ehrenamt und die Auszeichnungen nicht. Wir benötigen Rückendeckung für unsere Arbeit von der Stadt“, sagen Weber und Zaiß.