Die Linden-Realschule und das Wirtemberg-Gymnasium in Untertürkheim könnten bereits nach den Sommerferien etliche VfB-Nachwuchsakteure verlieren. Foto: Müller Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Seit der Entscheidung des VfB Stuttgart, seine Talente aus den Eliteschulen des Sports herauszunehmen, und in die private Kolping-Akademie zu schicken, erntet der Fußball-Zweitligist Kritik von allen Seiten. Gar von einem „groben Foulspiel“ spricht die Grünen-Gemeinderatsfraktion. In einem offenen Brief wehrt sich nun VfB-Präsident Wolfgang Dietrich. In einem Gespräch der beteiligten Fußballverbände, Vereine, Schulen und Kultusministerium wurde nun zumindest festgelegt, dass „die schulische und persönliche Entwicklung der Jugendlichen im Vordergrund steht“.

Seit 15 Jahren gibt es die Kooperationen zwischen der Nachwuchsförderung im Leistungssport und dem Bildungssystem in Deutschland. Ebenfalls seit 2002 gibt es auch die Eliteschulen des Fußballs in Stuttgart. Seit Anfang an mit im Boot ist der VfB. Doch nun will der Zweitliga-Tabellenführer die bestehende Kooperation mit dem Wirtemberg-Gymnasium und der Linden-Relaschule in Untertürkheim sowie dem Schickardt-Gymnasium, der Cotta- und Lerchenrainschule aufgeben und seine Nachwuchsspieler bereits nach den Sommerferien auf die private Kolping-Akademie in Fellbach schicken. Alleine in Untertürkheim sind derzeit 63 Fußballtalente eingeschult (wir berichteten). Der VfB stößt dabei auf Widerstand seitens der Schulen und der Politik.

Eindeutig für den Erhalt der Eliteschulen des Sports hat sich der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) ausgesprochen. Darin sei man sich mit Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) einig. „Wir sind davon überzeugt, dass an unseren Eliteschulen sehr gute Arbeit geleistet wird und die Athleten dort eine adäquate Ausbildung absolvieren können. Die duale Karriere steht hierbei im Mittelpunkt, auch im Sinne der ganzheitlichen Persönlichkeitsförderung der Athleten“, erklärte LSV-Präsidentin Elvira Menzer-Haasis

Die SPD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat hat in einem Antrag ebenso Aufklärung über den Sachstand und die weitere Entwicklung gefordert. Mit welcher Kapazität an den Eliteschulen im Hinblick auf die Förderung von Talenten aus anderen Sportarten weitergearbeitet werden könne, steht für die Sozialdemokraten im Vordergrund. Darüber soll in einer der nächsten Sitzungen des Sportausschusses oder Schulbeirat - gerne auch gemeinsam - berichtet werden.

Gar von einem „groben Foulspiel“ sprechen die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat. Der Alleingang des VfB sei ein herber Rückschlag für die Sportstadt Stuttgart. Schließlich habe die Verwaltung stets für gute infrastrukturelle Bedingungen gesorgt. Mit dem Ausstieg aus dem Nestwerk brüskiere der VfB die Stadt. „Das ist ein schlechter Stil“, sagt Sportpolitiker Vittorio Lazaridis. Und das, obwohl der VfB auch für den Bau des neuen Leistungszentrums sowie bei der Kürzung der Stadionmiete und Schaffung neuer Trainingsplätze erheblich von der finanziellen Unterstützung der Stadt profitiert habe.

Aufgrund der anhaltenden Kritik sah sich auch VfB-Präsident Wolfgang Dietrich dazu genötigt, in einem offenen Brief zu reagieren. Bei dem Schritt „handele es sich um eine Erweiterung des Angebots - nicht um eine Aufkündigung“, heißt es in dem Schreiben, das auch auf der Homepage des Vereins zu lesen ist. Der VfB biete den Jugendspielern in Zukunft neben dem Angebot der staatlichen Stuttgarter Schulen nunmehr lediglich die Möglichkeit an, auch die Kolping-Akademie zu besuchen. Die gewählte Vereinsführung sei verpflichtet dazu, wichtige Felder wie die Nachwuchsarbeit immer wieder zu optimieren. Die Entscheidung sei auch nicht plötzlich, sondern erst nach reiflicher Überlegung und unter Abwägung aller Gesichtspunkte gefallen. Grundsätzlich könne der Verein den Spielern nicht vorschreiben, auf welche Schule diese gehen sollen. „Die Entscheidung liegt einzig und allein bei den Jugendlichen und deren Eltern“, betont Dietrich.

Von der neuen Entwicklung ein wenig überrascht zeigt sich selbst Michael Hurler, der geschäftsführende Vizepräsident des Württembergischen Fußballbundes (WFV). Denn dadurch rudert der VfB entgegen seinen ersten Aussagen ein wenig zurück. Damals wurde den Eltern in einem Informationsbrief noch deutlich klargemacht, dass nach Möglichkeit fast alle Jugendspieler in Zukunft die Kolping-Akademie besuchen sollten. „Nun sind die Dinge etwas relativiert worden“, sagt Hurler hinsichtlich eines klärenden Gesprächs aller Mitglieder des Stuttgarter Regionalteams „Eliteschule des Fußballs“ in der WFV-Zentrale in Stuttgart. Das bisherige Konzept habe sich über viele Jahre bewährt, waren sich die Beteiligten von DFB, WFV, den Eliteschulen, von VfB und Stuttgarter Kickers sowie dem Kulturministerium einig. „Die schulische Ausbildung der jungen Talente steht im Zentrum aller Überlegungen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Ebenso sei man übereingekommen, dass die Entscheidung der Familien für einen Bildungsweg an keinerlei Bedingungen geknüpft sind und dauerhaft alle Türen offen stehen. In einer gemeinsamen Marschroute wurde festgelegt, dass am 25. April an gleicher Stelle das Kolping-Bildungswerk die Inhalte des neuen Schulkonzepts vorstellen soll. „Es wird sicher im kommenden Schuljahr zunächst eine Art Parallelstruktur geben“, ist Hurler überzeugt. Vielleicht könnten sich dadurch auf Dauer auch die vom VfB erwünschten, verbesserten Rahmenbedingungen bei den Trainingskorridoren an den Eliteschulen des Sports ergeben.