Aufstellen zum Gruppenbild, bevor es mit dem Aufzug (links) in den Zugangsschacht zu den künftigen Bahnröhren geht. Fotos: Eisenmann Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart 21 - was die Umsetzung eines solchen Mammut-Projekts in der Realität bedeutet, davon konnten sich am Samstag Leser unserer Zeitung exklusiv einen Eindruck machen. Sieben Personen durften erstmalig am Zwischenangriffspunkt in der Ulmer Straße unter die Erde und dabei zusehen, wie Mineure mithilfe riesiger Maschinen auf engstem Raum gewaltige Erdmassen beseitigen.

Nein, ein Zuckerschlecken ist diese Arbeit wahrlich nicht. Die Luft ist voll von Staub, ein ständiges Dröhnen ist zu hören. Gabriele Leicht zeigt in dem von Lampen beleuchteten Tunnel nach oben auf ein riesiges Rohr. „Sehen Sie“, sagt die Führerin zu der siebenköpfigen Gruppe, die mit Sicherheitsstiefeln, Schutzhelm und Warnweste bekleidet ist. „Hier wird Frischluft hinein gepumpt. Daher rührt das Geräusch, das Sie jetzt hören.“

Die Besichtigung der riesigen unterirdischen Baustelle hat an diesem Mittag mit einer Fahrt im Aufzug begonnen. 38 Meter bringt dieser die Besucher in die Tiefe, direkt in den Zugangsschacht - ebenso übrigens wie die Arbeiter. Einen anderen Ein- und Ausstieg gibt es auch für die Mineure nicht. Nach wenigen Metern wartet auf die Gruppe ein Fahrzeug, das an ein Golfkart erinnert. In Größe XXL versteht sich. „Indiana-Jones-Auto“, nennt es Leicht lachend.

Im Schritttempo zuckelt das Gefährt während laufender Vortriebsarbeiten in Richtung Röhre 61, vorbei an größeren und kleineren Baumaschinen sowie einem Betonmischer. Dass die Besucher auf der Fahrt den Neckar unterqueren, davon bekommen sie nichts mit. Wie auch? „Der geringste Abstand zwischen Tunneldecke und Fluss beträgt mindestens acht Meter.“

Die Arbeiten in dem Bauabschnitt folgen ihren eigenen Gesetzen. Große Bohrer - sogenannte Vortriebsmaschinen - können hier nicht eingesetzt werden. Dafür gibt es zu viele Kurven, mehr Platz müsste vorhanden sein. Stattdessen wird mit Sprengungen und Meißelbaggern gearbeitet - vorausgesetzt, das Gestein ist fest genug. In halbkreisförmigen Scheiben treiben die Mineure die Tunnelröhren zeitgleich an drei Stellen voran, kleiden diese mit Stahl und schnell härtendem Spritzbeton aus. Dann entsteht die Sohle. Es gleicht einer Sisyphos-Aufgabe: Von den Arbeitern - der Großteil kommt aus Österreich und Polen - muss ständig das Ende des Tunnels gefestigt werden, um es Stunden später wieder kaputt zu machen und weiter zu graben. Manche Gesteinsschichten machen es den Experten leichter, andere schwerer. Allerdings: „Ich habe gelernt, dass es für alles eine Lösung gibt“, sagt Gabriele Leicht und nennt als Beispiel Anhydrit - eine Gesteinsschicht, die zu quellen beginnt, sobald sie mit Wasser in Berührung kommt. Um dies zu verhindern, wurde eigens ein neues Verfahren entwickelt, das auch in den Tunnelröhren von Wangen aus in Richtung des neuen Hauptbahnhofs zum Einsatz kommt.

Es sind viele Themen, die an diesem Mittag zur Sprache kommen: Wie Sprengungen ablaufen, wird genauso erläutert wie die Sicherheitsvorkehrungen und die Logistik. Das Fazit der Besucher fällt nach der dreistündigen, erstmalig durchgeführten Tour einhellig aus: „Die Atmosphäre im Tunnel war äußerst beeindruckend.“

Ab dem 4. Februar wird die Tour wöchentlich angeboten. Infos gibt es unter https://www.s21erleben.de.