Nico Kis mit den auf dem Untertürkheimer Dachgarten reifenden Peperoni. Quelle: Unbekannt

Von Mathias Kuhn

Ja was ist den dies? Der Blick in fremde Gärten ruft oft Erstaunen hervor oder gibt Rätsel auf. Nicht mehr nur Kopfsalat, Tomaten, Gurken oder die traditionellen Obstsorten, sondern auch ungewöhnlich für schwäbische Grundstücke exotische Pflanzen gedeihen rund ums Haus. Die gute und sachkundige Pflege und vermutlich auch das wärmere Klima machen‘s möglich: Bananenstauden, Kakteen oder auch Zitrus- oder Orangenbäumchen gefällt es in den Oberen Neckarvororten. Die eigentlich aus China stammende Kiwi fühlt sich beispielsweise im Garten von Eberhard Jung so wohl, dass der Vorsitzende des Hedelfinger Obst- und Gartenbauvereins Marmelade und andere Leckereien aus den grünen Früchtchen machen kann. Bei den Südfrüchten reicht die Ausbeute allerdings meist noch nicht für eine überschwängliche Ernte, aber immerhin für den Biss in die ersten eigenen Bananen. Überhaupt: Den meisten Gartenbesitzern kommt es sowieso nicht auf die Verwertung ihrer Früchte an. Sie freuen sich über gesunde Pflanzen und manche Überraschung.

So staunten Eberhard und Ingrid Hanselmann vergangenes Jahr über ein besonderes Naturschauspiel. Vor 55 Jahren hatte ihre Mutter drei Agaven in Töpfe gepflanzt. Damals eine Rarität in Stuttgart. Jahr für Jahr wuchs das in Amerika und Mexiko beheimatete Dickblattgewächs heran. Im Herbst holte die Familie die Töpfe zum Überwintern in den Keller, nach den Nachtfrösten im Mai durften sie wieder in den Garten hinterm Uhlbacher Haus. 55 Jahre lang. Vergangenes Frühjahr schob sich plötzlich jeweils ein Stab aus der Mitte aller drei Pflanzen. Teilweise sieben Zentimeter pro Tag streckte sich der Stab in die Höhe. Die Agaven zeigten sich in prachtvoller Blüte. Der Keller wurde zu klein. Im August war der längste Blütenstand mit seinen gelben Blüten mehr als sieben Meter lang und musste mit Seilen gegen starke Winde gesichert werden. Die Kehrseite der Schönheit: Sobald die Blütenstände verblüht sind, geht die gesamte Pflanze ein. „Sie blüht einmal im Leben richtig auf und stirbt anschließend“, erklärt Hanselmann. Deswegen werde sie auch „Jahrhundertpflanze“ genannt.

Das gute Uhlbacher Klima beschert einem entfernten Nachbarn von Hanselmann dieses Jahr ein anderes rekordverdächtiges Naturschauspiel. Uschi und Karl-Heinz Birth haben vor einigen Jahren Hopfen rund um ihren ins Alter gekommenen Geishirtlesbaum gepflanzt. „Einfach, weil mir die Pflanze so gefällt“, sagt Uschi Birth. Jedes Jahr im Herbst wurde er gestutzt, die Ranken als Dekoration genutzt. Dieses Jahr können die beiden Uhlbacher Dutzende Tische schmücken. Das feucht-warme Wetter hat den Hopfen so stark wachsen lassen wie noch nie. Nicht nur der gesamte - mittlerweile fast abgestorbene - Birnenbaum ist umrankt. Karl-Heinz Birth hat noch ein Stahlseil zum etwa acht Meter entfernten Dach gespannt. Ihm entlang sind bereits dicke Hopfenranken geklettert, haben sich eindrucksvoll aufgefädelt. Ein weiterer Strang windet sich entlang des Holzzauns. „Von einem Ende zum anderen sind es sicherlich mehr als 30 Meter,“ schätzt Birth. Die genaue Länge erfahren die Hopfenfans eh im Herbst. Bis dahin freuen sie sich und viele Spaziergänger über das vom Hopfen fast wie in einem Märchen umrankte Haus in der Uhlbacher Straße.

Peperoni vom Dachgarten

Wenn Nico und Edith Kis ihre Ernte einfahren, ziehen sie sich Handschuhe an. Denn die Ernte und die Verarbeitung ihrer roten Früchtchen sind eine scharfe Sache. Auf dem Dachgarten in der Stubaier Straße gedeihen neben Bonsai-Bäumchen auch verschiedene Peperoni-Pflanzen. „Ich habe vor drei Jahren Samen von Peperoni-Sorten erhalten, die für ihre Schärfe bekannt sind“, sagt Kis. Peperoni Habanero hat 0,5 Millionen Scovill-, Bhut-Jolokia sogar eine Million Scovill-Einheiten. „Zum Vergleich: Tabasco misst nur 4000 Scovill“, verdeutlicht Kis die vielfache Schärfe seiner roten Früchte.

Kiloschwerer Kohlrabi

Rolf und Christine Münzenmay pflanzen seit Jahren bereits Gemüse im eigenen Hausgarten mitten im Obertürkheimer Ortskern. Die Familie nutzt die Gurken, Tomaten und andere Früchte vom Garten für den Eigengebrauch. Dieses Jahr müssen die Obertürkheimer sich um ihren Vorrat keine Sorgen machen: Münzenmay zog einen Riesenkohlrabi aus der Erde. Es war beinahe wie bei einem verdutzten Angler. „An den Blättern hab ich es gar nicht erkannt. Solch einen gewichtigen Kohlrabi habe ich noch nie geerntet“, staunte der 69-Jährige. Stolze drei Kilo bringt die Riesenknolle auf die Waage.

Strauch mit 600 Feigen

Er ist eigentlich ein unscheinbarer, grüner Busch hinterm Haus von Karin Trautwein. Erst beim genauen Hinsehen wird dessen Reichtum sichtbar: Feigen in unterschiedlichem Reifezustand verstecken sich unter den Blättern. Vor etwa 25 Jahren hat die Untertürkheimerin den damals noch exotischen Strauch gepflanzt. Der Standort scheint gut gewählt. „Wir pflücken seit Wochen Früchte von den Ästen“, sagt Trautwein. Auch Nachbarn bedienen sich gerne und beißen am liebsten vor Ort in die Frucht. „Wir werden dieses Jahr bestimmt mehr als 600 Feigen ernten“, sagt Trautwein.