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Mannheim (dpa) - Als Lehre aus dem geplanten Brexit und dem Aufstieg populistischer Kräfte hat ZEW-Präsident Achim Wambach davor gewarnt, den europäischen Gemeinschaftsgedanken aus den Augen zu verlieren. «Die EU muss jetzt zeigen, dass sie Handlungsfähigkeit hat», sagte der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim der Deutschen Presse-Agentur.

Dazu helfe die Idee eines Europas verschiedener Geschwindigkeiten, wie sie etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ins Spiel gebracht hatte. «Es macht bei bestimmten Themen Sinn, in einer Teilgruppe anzufangen, die aber für jedes Land offen sein sollte», sagte er. Im Schengen- und im Euro-Raum seien auch nicht alle EU-Mitglieder vertreten.

«Wir sollten uns die Freiheit nehmen, bei bestimmten Problemen nicht mit allen Ländern zu agieren - ohne aber den Gemeinschaftsgedanken zu verwässern», sagte Wambach. «Die Brexit-Wahl hat gezeigt: bei "Gemeinsam oder Nichts" lautet die Alternative "Raus".»

Bei den Brexit-Verhandlungen erwarte er keine großen Verwerfungen. «Wir haben zwar eine gewisse Unsicherheit. Aber die Briten sind trotz allem eine sehr rationale Wirtschaftsnation. Und die EU hat genug Probleme, als dass sie sich durch zu kurzsichtige Verhandlungen mit Großbritannien noch ein weiteres zufügen möchte», meinte der 48 Jahre alte ZEW-Präsident.

Die Brexit-Abstimmung sei ein Schock für Europa gewesen. «Auch die Wahl von US-Präsident Donald Trump hat das Gefüge durcheinander gebracht», sagte Wambach. Urteile über Trumps Wirtschaftspolitik nannte er verfrüht. «Seine Strategie ist noch unausgegoren. Auf der einen Seite redet er von Infrastrukturmaßnahmen, mit der er die Wirtschaft ankurbeln will, auf der anderen Seite von Protektionismus. Wenn er das durchziehen würde, was er ankündigt, wäre das ein Riesenproblem für die US-Wirtschaft», unterstrich der Volkswirt.

Die Konjunktur in Deutschland nannte Wambach stabil. «Unsere Wirtschaft ist breit und robust aufgestellt. Wir haben einen starken Mittelstand und es in den verschiedenen Regionen der Welt geschafft, unsere Maschinen und Anlagen zu verkaufen», sagte der ZEW-Chef, der auch die Monopolkommission leitet. Zwar herrsche angesichts der bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland eine gewisse Unsicherheit. «Grundsätzlich sieht es aber gut aus.»