Norbert Illgen kontrolliert bei Ulm einen Lastwagen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Nico Pointner

Ulm/Neu-Ulm - Links. Rechts. Links. Rechts. Norbert Illgens Blick wandert langsam hin und her. Ganz gemütlich und kontrolliert. Links. Rechts. Als würde er ein Tennisspiel verfolgen. Draußen, direkt vor ihm auf der A 8 bei Ulm, brettern die Lastwagen vorbei. Links. Rechts. Es ist noch neblig und kalt, aber Illgen hat die Heizung im Bus kräftig aufgedreht. Im Radio läuft leise Schlagermusik. „Jetzt schauen wir mal, was hier so durchkommt“, sagt er. Illgen jagt übermüdete Fernfahrer und altersschwache Lastwagen.

Die Kontrolleure des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) überwachen die Sicherheit von Lkw und Bussen. Sie überprüfen Ausweispapiere und Genehmigungen, die Sicherung der Ladung, Lenk- und Ruhezeiten. Illgen macht den Job seit 15 Jahren. Jeden Morgen zieht er in der Region Ulm los mit seinem grauen Bus. Bis zu zehn Kontrollen schafft er am Tag. Worauf achtet er, wenn er herauswinkt? „Erfahrung“, sagt Illgen. Er schaue auf Alter und Technik der Lastwagen. Manche Mängel könne man sogar hören, sagt er und lauscht aus seinem runtergekurbelten Fahrerfenster. Etwa wenn alte Reifen ruckeln und schlagen. Als ein weißer Lastwagen vorbeizischt, wird Illgen plötzlich hellwach. „Oha. Den Italiener nehmen wir.“ Er gibt Gas und zieht auf die Straße. Neben technischen Mängeln kämpfen die Kontrolleure immer mehr mit manipulierten Fahrtenschreibern. 2015 wurden 22 000 Lastwagen gezielt auf die digitalen Fahrt-Aufzeichnungsgeräte kontrolliert - und an jedem vierten Transporter wurde manipuliert, meldete das Verkehrsministerium vor wenigen Tagen. Die Elektronik in den Lastwagen werde zwar einfallsreicher, aber die Betrüger ebenfalls, sagt Illgen. Signale werden mit Magneten gestört, Software wird gehackt und überbrückt. „Hase und Igel, Katz und Maus - das spielen wir“, sagt Illgen zum Technik-Wettlauf. Dahinter stecke ein krasser Druck in der Branche. „Das Speditionsgewerbe ist eines der härtesten Gewerbe, die es gibt“, ist er überzeugt.

Zwei Scheiben fehlen

Immer wieder verursachen müde Lasterfahrer schlimme Unfälle. Erst Ende August ging der Polizei ein Fahrer auf der A 7 bei Illertissen ins Netz, der von Griechenland bis Bayern mehr als 24 Stunden am Stück am Steuer gesessen war. Der 50-Jährige hatte mit einer zweiten Fahrerkarte dem digitalen Kontrollgerät einen Zweifahrerbetrieb vorgetäuscht. Illgen hat den weißen Laster aus Italien eingeholt und bei der Raststätte Leipheim rausgewunken. Die Papiere möchte er sehen und fordert sie in seiner schlichten Uniform am Führerhaus so bestimmt wie wortkarg an. Die beiden rumänischen Fahrer tragen Jogginghosen, sie wirken müde. Sie sollen Blumen von Holland nach Italien transportieren. Der Lastwagen hat noch einen alten mechanischen Fahrtenschreiber, auf einem Schaublatt aus Papier werden hier Lenk- und Ruhezeiten festgehalten. „Prima volta!“, erklärt der Fahrer. Er habe erst begonnen zu fahren. Illgen lässt sich viele Dokumente reichen, Genehmigungen, Fahrzeugpapiere, vor allem die weißen Tachoscheiben, und verschwindet in seinem Wagen. Der Innenraum des Busses ist sein Büro, grau und aufgeräumt, es wirkt steril. Über seiner Schulter stehen rund 20 Aktenordner voller Vorschriften und Dienstanweisungen im Regal.

Er hebt seine Brille auf die Nase und beäugt die Schaublätter. „Da fehlen zwei Scheiben!“, sagt er nach wenigen Sekunden. Es geht um den Streckenabschnitt von Belgien nach Dillingen. „Das sind ja 715 Kilometer“, sagt Illgen. Nervös blättert der Fahrer durch seine Unterlagen. Auch nach einer halben Stunde tauchen die Scheiben nicht auf. Das Bußgeld beträgt 200 Euro. „Capito“, sagt der Rumäne und gibt ihm die Hand. Die Fahrer treffe meist die geringste Schuld, sagt Illgen. Mancher Trucker sei geradezu dankbar über die Kontrolle. „Gerade bei technischen Mängeln.“ Schließlich gehe es um ihre eigene Sicherheit.