Gerichtsvollzieherin Kathrin Pehl. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Lena Müssigmann

Böblingen - Verschuldet, verzweifelt und manchmal aggressiv: Viele Leute machen die Tür nicht auf, wenn Gerichtsvollzieherin Kathrin Pehl klingelt. Wird sie doch in die Wohnung gebeten, kann es gefährlich werden. Auch in ihrem Büro seien Schuldner schon ausgerastet, erzählt die 27-Jährige. Statt einer kugelsicheren Weste hat sie sich einen Panzer aus Selbstbewusstsein zugelegt. „Man muss hinstehen und sich sagen: Ich hab keine Angst. Wenn man unsicher rüberkommt, ist das sehr unklug.“

Ein Gerichtsvollzieher treibt Schulden ein, die trotz mehrfacher Mahnung nicht bezahlt wurden. Pehl hat pro Monat in ihrem Sindelfinger Gebiet etwa 250 Fälle. Sie geht zwei Mal pro Woche von Schuldner zu Schuldner. „Da erreicht man am meisten“, sagt sie. Sie beschreibt sich als sozial engagiert und konsequent und sagt über ihren Job: „Das ist voll mein Ding.“ Ihr einstiger Job im Notariat drohte vor einigen Jahren wegzufallen, weshalb sie die Weiterbildung zur Gerichtsvollzieherin gemacht hat.

Abschleppwagen ist schon da

An einem Morgen im Juni steht in ihrem Bezirk eine Pfändung an: Entschlossen läuft sie mit einem Aktenstapel im Arm auf die Haustür eines Autohändlers zu, der mehrere tausend Euro Schulden hat. Ein von Pehl bestellter Abschleppwagen fährt mit blinkenden Lichtern in die Einfahrt. Pehl will vom Hof des Autohändlers einen weißen Kombi mitnehmen, der bei der Zwangsversteigerung genug Geld einbringen würde, um die Schulden zu tilgen.

Der aufgebrachte Autohändler rennt auf den Hof, gestikuliert wild, fordert, die Aktion zu stoppen. Nach einem Telefonat mit dem Anwalt, der das Geld einfordert, wird die Pfändung abgebrochen. Der Mann hat versprochen, innerhalb von zwei Tagen alle Schulden zu begleichen. Der Abschleppdienst fährt davon, Pehl hat rote Wangen. Die Konfrontation mit Schuldnern ist aufregend, intensiv, in ihrem Verlauf unvorhersehbar.

In Karlsruhe ist im Juli 2012 ein 47-jähriger Gerichtsvollzieher erschossen worden, als er zur Zwangsräumung bei einem 53-Jährigen vor der Wohnungstür in Karlsruhe stand. In der Ausbildung von Gerichtsvollziehern wird seitdem mehr über Deeskalation und Eigensicherung gesprochen, wie das Justizministerium mitteilt.

Pehls Familie weiß um die Gefahr des Jobs. „Meine Mutter sagt: Rufst an, wenn du auf dem Heimweg bist“, erzählt die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt. Körperliche Angriffe auf Gerichtsvollzieher bewegen sich laut den Angaben des Justizministeriums seit Jahren auf niedrigem Niveau. Allerdings berichtet der Vorsitzende des Landesverbandes im Deutschen Gerichtsvollzieher Bund, Rüdiger Majewski, von zunehmender Respektlosigkeit und von Drohungen, wenn sie Geld eintreiben.

Wie kann man sich überhaupt vor der Gefahr, die von ausrastenden Schuldnern ausgeht, schützen? Gerichtsvollzieher tragen keine Waffen. Der Selbstverteidigungstrainer Joachim Bender aus Heidelberg hat schon Kurse für die Berufsgruppe gegeben. Er rät zur verbalen Selbstbehauptung. Bei körperlichen Auseinandersetzungen ziehe man schnell den Kürzeren. „Die erste Option ist, abzuhauen.“

„Ich versteh beide Seiten“

Pehl hat sich Sicherheitsregeln zurechtgelegt, die auch Bender empfiehlt: Sie halte das Handy immer in der Hand, um gegebenenfalls Hilfe zu rufen, und habe die Tür nach außen stets im Blick. Erstmal setzt sie aber aufs Reden. „Ich sag, dass ich in der Mitte steh, zwischen Gläubiger und Schuldner. Ich versteh beide Seiten“, erzählt sie. Wird es besonders heikel, kommen Gerichtsvollzieher auch gemeinsam mit der Polizei zum Schuldner. Respektlosigkeit kennt Pehl. Männer geben ihr oft zu verstehen, sie sei „nur ein junges Mädchen“, erzählt sie. Frauen zollten Respekt dafür, dass sie diesen Job macht.