Von Christine Cornelius

Mannheim - Der Zuckermarkt in Europa steht vor einer tiefgreifenden Veränderung. Seit dem Jahr 1968 gilt die Zuckermarktordnung, doch die läuft Ende September des kommenden Jahres aus - eine historische Reform. Jahrzehntelang gab es Produktionsquoten, Rübenmindestpreise und Einfuhrzölle. Nun muss sich die Zuckerbranche dem Weltmarkt öffnen - mit Folgen für Hersteller, Rübenbauern und Verbraucher.

Für die Produktion der Rübenbauern ändert sich vieles. Die alte Planungssicherheit fällt weg. Bislang ist vorgegeben, wie viele Rüben die Bauern produzieren dürfen und welche Mindestrübenpreise sie bekommen. Mit dem Wegfall der Quote können sie mehr anbauen. Nach Einschätzung des Rheinischen Rübenbauer-Verbands werden sie in der Bundesrepublik genau dies tun. „Wir sind klimatisch und von der Infrastruktur her eine Gunstregion in Deutschland, was den Rübenanbau angeht“, sagt Verbandsgeschäftsführer Peter Kasten.

Die neue Situation bedeute aber auch steigenden Konkurrenzdruck für seine Zunft. „Die hiesige Produktion tritt in den Wettbewerb mit den EU-Importen und mit der Rübenzuckererzeugung in anderen Ländern in Europa, die ihre Produktion zum Teil deutlich ausbauen werden.“

Einiges deutet darauf hin, dass sich die Reform kaum auf die Geldbeutel der Konsumenten auswirken wird. „Der Verbraucher muss sich keine Sorgen machen“, prognostiziert der Geschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, Stefan Lehner. Ob der Zuckerpreis nach der Reform steige oder sinke: Auf Endpreise für Süßigkeiten oder Zucker werde sich das - wenn überhaupt - nur marginal auswirken. Auch Agraranalyst Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe rechnet nicht mit nennenswerten Änderungen für die Verbraucher. In der Vergangenheit seien schwankende Zuckerpreise kaum an die Konsumenten weitergegeben worden.

Kasten vom Rheinischen Rübenbauer-Verband sagt: „Wir werden sicherlich deutlich schwankendere Rübenpreise erleben, in Abhängigkeit vom schwankenden Zuckerpreis.“ Er glaubt aber ebenfalls nicht, dass die Verbraucher dies eins zu eins an der Ladentheke spüren werden.

Die Zuckerhersteller müssen den Landwirten künftig keine Mindestrübenpreise mehr zahlen und können so versuchen, die Preise zu drücken. „Es ist eine Zweckgemeinschaft für beide Seiten“, sagt ein Sprecher vom europäischen Zuckerprimus Südzucker. „Der Anbau muss sich für die Bauern noch weiter lohnen. Aber die Verwertung des Zuckers muss sich natürlich auch für uns lohnen.“ Die Zuckerproduzenten sind gebeutelt von dauerhaft niedrigen Zuckerpreisen.

Südzuckers Vorstandschef Wolfgang Heer hatte zunächst für die Verlängerung der Marktordnung gekämpft. Inzwischen sieht sich der Konzern bis zum Auslaufen der Regelung in einem Korsett aus limitierten Produktionsquoten, Exporten und festgesetzten Mindestpreisen für Zuckerrüben gefangen. Fehlgeleitete Mengenfreigaben der EU-Kommission, Rekordernten und die Lage auf dem Weltmarkt haben aus Heers Sicht zu einer Überversorgung mit Zucker und damit zum Preissturz geführt.

Ohne Quoten wird der Konkurrenzdruck für die Hersteller sehr viel größer. Der Fall der Marktordnung wird Experten zufolge zu einem Verdrängungswettbewerb führen. Auch eine stärkere Internationalisierung der Produzenten ist wahrscheinlich: Südzuckers Konkurrent Nordzucker setzt mit dem Wegfall der Quote auf höhere Exporte. Vorstandschef Hartwig Fuchs sagte einmal: „Da kommt eine Chance auf uns zu, die wir nutzen werden.“