Stuttgart (lsw) - Nach Aufnahme der Regierungsarbeit mit den Grünen hat der neue CDU-Verbraucherschutzminister Peter Hauk vor „Angstmacherei“ wegen des geplanten Freihandelsabkommens TTIP gewarnt. „Wir sind im Südwesten die allergrößten Profiteure, denn wir haben die intensivsten Wirtschaftsbeziehungen zu den USA“, sagte er.

Bei den USA handele es sich um den zweitgrößten Exportmarkt nach der EU. Konkret sagte Hauk etwa, dass er mit dem in Deutschland umstrittenen gechlorten Hühnerfleisch aus den USA keine Probleme habe.

Kritik vom Koalitionspartner ließ nicht lange auf sich warten. „Gerade beim Verbraucherschutz wollen wir unsere guten EU-Standards im Sinne der Bürger unbedingt halten. Dazu passen Chlorhähnchen nicht“, sagte gestern Josha Frey, der europapolitische Sprecher der Grünen im Landtag. Hauk sagte über das Chloren von Hühnerfleisch in den USA: „Ich habe noch nicht gehört, dass irgendjemand in Amerika Schäden davon getragen hätte.“

Minister setzt auf Kennzeichnung

Wichtig sei die Kennzeichnung. „Wenn der Verbraucher darüber informiert ist, dass das Huhn aus den USA kommt, dann kann er auch wissen, dass es in Chlor getaucht wurde - was bei einem deutschen Huhn nicht der Fall ist“, sagte Hauk. Mit dem Chlor sollen Keime abgetötet werden. „Deshalb sind Herkunftsnachweise zwingend“, betonte er. „Am Ende muss für den Verbraucher klar sein, dass die Waren unbedenklich sind. Und das muss der Staat garantieren.“

Dagegen meinte Frey, nur ein Hinweis auf die Herkunft des Fleisches aus den USA sei „völlig intransparent“. Neben Chancen biete TTIP auch „Risiken, die nicht ignoriert werden dürfen“. Vor allem müssten Errungenschaften der EU unter anderem im Arbeits- und Umweltschutz, bei der sozialen Sicherheit erhalten bleiben, sagte der Grünen-Abgeordnete.

Über Hauks „Euphorie“ für das von der EU mit den USA geplante Freihandelsabkommen wunderte sich nicht zuletzt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Reinhold Gall. „Auch die neue Landesregierung täte gut daran, die Verhandlungen konstruktiv, aber kritisch zu begleiten“, sagte der frühere Innenminister der grün-roten Vorgängerregierung.

Lob für Hauks Unterstützung für TTIP kam von der FDP. Der verbraucher- und agrarpolitische Sprecher der Fraktion, Friedrich Bullinger, empfahl dem Minister zugleich einen Blick in die Reihen seines eigenen grünen Koalitionspartners. So hätten die Grünen im Europaparlament im vorigen Jahr gegen TTIP gestimmt. Das Abkommen sei eine historische Chance, „mit vereinter europäisch-amerikanischer Marktmacht westliche Verbraucherschutzstandards global durchzusetzen“, sagte Bullinger. Das komme auch dem Export landwirtschaftlicher Qualitätserzeugnisse aus dem Südwesten zugute.

Keine rumänischen Standards

Der auch für die Landwirtschaft zuständige Minister Hauk zeigte wenig Verständnis für die Proteste gegen TTIP. „Angstmacherei“ sei ein politisches Instrument für Organisationen, die damit Geld verdienen wollten, um ihre eigene Arbeit zu finanzieren - zur Selbsterhaltung. „Sie operieren mit den Ängsten der Menschen“, sagte der Minister. Zugleich warf er auch der Wirtschaft vor, am Anfang zu zögerlich gewesen zu sein, um auf die Vorteile des Freihandels hinzuweisen. Dadurch gebe es Wachstum und Arbeitsplätze. Mit Blick auf andere internationale Freihandelsabkommen sagte Hauk, dass Europa stets davon profitiert habe. „Warum sollen wir den Handel denn nicht erleichtern?“, sagte Hauk. „Keiner hatte Angst, dass wir rumänische Standards übernehmen“, sagte er.

Die EU und die USA verhandeln seit Mitte 2013 über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ TTIP. Ziel ist es, Zölle, verschiedene Vorschriften oder Hürden für Investitionen abzubauen. So soll der Handel zwischen den Wirtschaftssupermächten EU und USA mit 800 Millionen Verbrauchern stärker florieren. Umwelt- und Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Sozialverbände befürchten die Angleichung von Standards auf geringerem Niveau. Ungeachtet der heftigen Kritik will die EU-Kommission noch in diesem Jahr eine Einigung über das Abkommen erzielen. Die Gespräche zwischen der EU und den USA waren zuletzt durch das Bekanntwerden geheimer Verhandlungspapiere belastet worden.