Von Julia Giertz

Stuttgart - Mit der Ausschreibung des Schienennahverkehrs im Land will Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) das Monopol der Deutschen Bahn (DB) brechen. Im Fall der Stuttgarter Netze ist ihm das zunächst gelungen. Die beiden Konkurrenten Go-Ahead und Abellio erhielten den Zuschlag, weil das Angebot der Bahn aus Sicht des Landes den Ausschreibungskriterien nicht genügte. Das bestreitet die Bahn und zog vor den Kadi. Gestern kam der Fall vor das Oberlandesgericht Karlsruhe. Am 29. April will das Gericht seine Entscheidung verkünden.

Um was geht es?

Das Land hat einen sehr lukrativen Auftrag ausgeschrieben. Er umfasst von 2019 an die Stuttgarter Netze - ohne die S-Bahn - mit 14,8 Millionen Zugkilometer im Jahr. Das ist etwa ein Viertel der gesamten jährlichen Nahverkehrsleistungen im Südwesten. Das Umsatzvolumen auf 13 Jahre Vertragslaufzeit liegt bei 2,7 Milliarden Euro. „Das wäre für die Deutsche Bahn ein schmerzlicher Verlust“, meint der Landeschef des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland, Matthias Lieb.

Warum hat die Deutsche Bahn als günstigster Bieter den Zuschlag für die Stuttgarter Netze nicht bekommen?

Der Konzern hat die Anforderung nicht erfüllt, die Preise pro Zugkilometer im ersten Jahr des Betriebs nicht mehr als zehn Prozent höher zu gestalten als in den Folgejahren. Er hat diese Grenze überschritten, wenn auch nur marginal. Dennoch hatte die Deutsche Bahn ihren bisherigen Kilometer-Preis von 11,70 Euro für ihr Angebot halbiert und damit die anderen Offerten sogar unterschritten.

Wie reagierte die Bahn?

Er legte bei der Vergabekammer des Regierungspräsidiums Karlsruhe Beschwerde gegen die Entscheidung des Verkehrsministeriums ein. Nachdem die Kammer dem Land Recht gegeben hatte, ließ die Bahn deren Beschluss in der letzten Instanz überprüfen. Die ist das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Wer sind die potenziellen neuen Anbieter?

Der Konkurrenzanteil im Nah- und Regionalverkehr beträgt mittlerweile bundesweit 30 Prozent. Dabei sind die stärksten Konkurrenten Töchter von ausländischen Staatsbahnen. Dies zeigt auch der baden-württembergische Fall. Von 2019 an sollen die Tochter des britischen Unternehmens Go-Ahead und die zur niederländischen Abellio-Gruppe gehörende Abellio Rail Südwest GmbH die Stuttgarter Netze betreiben. Auf Abellio entfällt ein Los mit jährlich 6,8 Millionen Zugkilometern in der Region Neckartal. Zwei Lose mit 8,1 Millionen Zugkilometern in den Regionen Rems-Fils und Franken-Enz gehen an Go-Ahead. Der Bus- und Bahnbetreiber mit 26 000 Mitarbeitern in der britischen Heimat ist für einen Großteil der Londoner Doppeldeckerbusse zuständig.

Welche Vorteile hat der Wettbewerb für die Fahrgäste?

Gibt es Konkurrenz, wird die Qualität der Anbieter verglichen. In Bayern hat das zu einem Ranking der Verkehrsgesellschaften geführt, wie zufrieden Kunden mit Pünktlichkeit und Sauberkeit sind. „Das ist für die Anbieter ein Anreiz. Keiner will an letzter Stelle stehen“, sagt Lieb. Nach seinen Berechnungen hat das Land zwischen 2003 und 2016 durch die Direktvergabe des „Großen Verkehrsvertrags“ an die DB eine Milliarde Euro zu viel gezahlt. Der Vertrag war damals von der CDU-geführten Landesregierung und der DB ohne Ausschreibung geschlossen worden und läuft dieses Jahr aus. Das Land will die neuen Spielräume durch billigere Kilometer-Preise für den Ausbau des Angebots nutzen.