Von Hermann Neu

Stuttgart - Die grün-schwarze Landesregierung will im nächsten Jahr kürzen und investieren, aber keine Schulden tilgen. Das Kabinett billigte gestern den Etatentwurf 2017, der 48 Milliarden Euro umfasst. Ein Konflikt wie in den vergangenen Tagen um Lehrerstellen soll sich laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht wiederholen. An die Kommunen appellierte er erneut, sich im Finanzstreit mit dem Land zu einigen.

In den jüngsten Querelen um Lehrerstellen kann Kretschmann indes keinen Koalitionsstreit erkennen: Es sei „um einen Haushaltsstreit“ gegangen, erklärte er in Stuttgart. Gleichwohl sollten in Zukunft nach Beschlüssen der Haushaltskommision die Debatten abgeschlossen sein, forderte der Ministerpräsident. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte nach dem Abschluss der koalitionsinternen Beratungen zusätzliche Stellen gefordert, andernfalls wollte sie den Ausbau der Inklusion und der Ganztagsschulen auf Eis legen. Die Ministerin hatte sich am Wochenende noch auf den letzten Metern mit Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) auf zusätzliche Stellen geeinigt.

Die Finanzministerin betonte, die Eckpunkte des im Juli vorgestellten Haushaltsentwurfs würden eingehalten: Die schwarze Null sei erreicht, Steuererhöhungen würden vermieden und es gebe die geplanten Kürzungen um 370 Millionen Euro. Der ursprüngliche Fehlbetrag im Etat von 2,6 Milliarden wird durch Kürzungen um 800 Millionen, aus einer Milliarde an Rücklagen, einem Steuerplus von 616 Millionen sowie durch die um eine Milliarde geringeren Ausgaben für Flüchtlinge ausgeglichen.

Schuldenberg von 47 Milliarden

Sitzmann verteidigte wie Kretschmann das Konzept, vorerst nichts vom Schuldenberg von 47 Milliarden zu tilgen. Stattdessen will die Koalition die Sanierung von Landeseigentum vorantreiben. Je länger Sanierungen aufgeschoben würden, je teurer kämen sie, argumentierte Sitzmann. Deshalb sei es wirtschaftlicher, Brücken, Straßen oder Gebäude zu sanieren, als Kreditmarktschulden abzutragen. In einer Niedrigzinsphase wie derzeit sei dies der richtige Weg. Deshalb will Grün-Schwarz auch die Landeshaushaltsordnung um die Formulierung ergänzen, dass bei einem Steuerplus neben der Reduzierung von Schulden am Kreditmarkt auch die Reduzierung der „Implizierten Verschuldung“ durch die Sanierung und den Ersatz etwa von Bauten erfasst wird. Allein bei den Hochschulbauten gebe es einen Sanierungsstau von drei bis vier Milliarden, argumentierte die Ministerin.

Auch Kretschmann betonte, mit Blick auf die Schuldenbremse von 2020 an müsse der Sanierungsstau beseitigt werden. Um „Versäumnisse“ zu beheben, sei die Beteiligung der Kommunen notwendig. Der vom Land um weitere 300 Millionen Euro verdoppelte Beitrag der Städte, Gemeinden und Kreise sorgt seit Monaten für Diskussionen. Gemeindetagspräsident Roger Kehle zeigt sich enttäuscht. Der vom Kabinett beschlossene Entwurf sehe weiterhin den Vorwegabzug des Landes aus kommunalen Mitteln von 600 Millionen vor. Die Präsidentin des Städtetags, die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, begrüßte das Angebot, noch einmal zu verhandeln. Aber das Land sei „jetzt am Zug, einen deutlichen Schritt auf die Kommunen zuzugehen“.

SPD: Kein Fortschritt bei Lehrern

Die Opposition erneuerte ihre Kritik. Für SPD-Fraktionschef Andreas Stoch setzt der Haushalt zwei falsche Schwerpunkte: Er bitte die Kommunen „ohne Not zur Kasse“ und verschlechtere „massiv die Unterrichtsversorgung an den Schulen“. Bei Kommunen und Bildung zu sparen, passe nicht zum vorhandenen Geldsegen und zu den erheblichen Reserven im Haushalt.

Stoch kann im Kompromiss zu den Lehrerstellen keine Fortschritt erkennen. „Es werden in die eine Hosentasche einige zweckgebundene Deputate hinein gesteckt, aber aus der anderen viel mehr zu Lasten der Unterrichtsversorgung heraus genommen“. Unter dem Strich bleibe ein beträchtlicher Stellenabbau. Durch die zusätzliche Kürzung um 300 Millionen zu Lasten der Kommunen könnten Gebühren und Abgaben steigen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, zu behaupten, die Schwarze Null würde mittelfristig genügen, um eine gute Haushaltsplanung zu garantieren, sei realitätsfremd und gefährlich. Wer ungeachtet sprudelnder Steuereinnahmen darauf verzichte, Schulden entscheidend abzubauen, hinterlasse kommenden Generationen ein schweres Erbe. Der Konflikt um neue Lehrerstellen ist für den FDP-Fraktionschef exemplarisch für das unausgewogene Handeln von Grün-Schwarz. Statt dringend benötigte Stellen für Inklusion, Ganztagsschule und Informatikunterricht zu schaffen, werde „geschichtet, geschachert und gemogelt“.

Die AfD erklärte, von 2011 bis heute hätten die Steuereinnahmen um bis zu 20,5 Prozent zugelegt. Hinzu kämen Steuermehreinnahmen des Jahres 2015 von einer Milliarde. Die Behauptungen der Landesregierung, verlässlich und innovativ zu wirtschaften, erscheine als „Politikerphrasen und Augenwischerei“, kritisiert Rainer Podeswa, der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion.